Mindestens genauso viel Freude wie Sport machen, bringt mir Sport schauen. Das Mitfiebern in Echtzeit schlägt so ziemlich jeden fiktiven Krimi. Deshalb gehörte am ersten Augustwochenende ein Abstecher zu den Finals in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden zum Pflichtprogramm. Ich habe einige Fan-tastische Momente zwischen Frauenkirche, Semperoper und Alberthafen mit der Kamera festgehalten.
Turbulenter Triathlon am Terrassenufer
Der Tag beginnt mit einem wahren Sporthighlight, den deutschen Meisterschaften im Triathlon. Insgesamt 750 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren und 5 Kilometern Laufen stehen auf dem Plan. Um möglichst oft die Sportler anfeuern zu können, postieren wir uns am Elbufer unterhalb der Brühl’schen Terrassen. Das Wetter ist wechselhaft. Gerade als wir ankommen, fängt es leicht an zu regnen. Doch schon nach wenigen Minuten lässt sich die Sonne blicken. Die Spannung steigt. Kurz vor 11 Uhr kommen die ersten Sportler in Sichtweite, Applaus brandet auf. Im Eiltempo passiert das Spitzentrio auf den Fahrrädern unseren Standort hin zur Wendestelle. Mit etwas Abstand folgt das große Feld, das bei der Vorbeifahrt für einen spürbaren Luftzug sorgt.
Insgesamt 90 Athleten rauschen drei Mal auf dem Zweirad an uns vorüber bis der Wechsel in die Laufschuhe ansteht. Mittlerweile hat Henry Graf seinen Vorsprung auf Jonas Osterholt deutlich ausgebaut. Der wiederum kann seinen zweiten Platz vor Lasse Priester festigen. Das tut der Begeisterung jedoch keinen Abbruch – im Gegenteil. Nun erhält jeder Läufer für sich die verdienten Anfeuerungsrufe. Denn in den Blicken lassen sich nunmehr die ganzen Strapazen des Rennens ablesen. Weitere drei Runden später, nach insgesamt 50:18 Minuten ist es für den Athleten des DSW 12 Darmstadt geschafft. Er durchläuft als Erster das Ziel an der Semperoper. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir die kleine Tribüne auf dem Theaterplatz, um der feierlichen Medaillenübergabe beizuwohnen. Der frenetische Applaus zaubert ein Lächeln in die schmerzverzerrten Gesichter. Gänsehaut.
Berauschendes Bogenschießen auf dem Theaterplatz
Nachdem wir einen der begehrten Plätze auf der Zuschauertribüne ergattert haben, entscheiden wir uns die Entscheidungen des Bogensports zu verfolgen. Zuerst steht die Medaillenvergabe in der Disziplin Mixed Compound an. Dabei besitzt der Bogen eine spezielle Konstruktion mit Wellrad, die den Pfeil auf bis zu 220 Kilometer pro Stunde beschleunigen lässt. Das Ziel entspricht mit 8 Zentimeter Durchmesser der eines Eishockey-Pucks. Mit dem Schlachtruf „Alle ins Gold“ beginnt das Duell zwischen den Oberallgäuer Gauschützen und dem TSV Lindenberg um den dritten Platz. Mit Hochspannung schaut das Publikum auf die präzisen Schüsse. Die Dramatik ist förmlich in der Luft zu spüren. Nach einem hart umkämpften Match gewinnen Antje und Falk Just vom TSV Lindenberg verdient Bronze.
Noch spannender ist nur das Duell um Gold zwischen den Blankenfelder BS und den Oberallgäuer Gauschützen. Denn im Sekundentakt findet der Pfeil das Zentrum, die 10. Bis zur 4. Passe herrscht Ringgleichheit, also Unentschieden. Erst im letzten Durchgang kann sich das Vater-Tochter-Gespann Katharina und Matthias Raab von den Oberallgäuer Gauschützen durchsetzen. Die Menge tobt. Schön zu sehen wie sich die Teams Medaillen gönnen, ohne verärgert zu sein.
Nach wenigen Minuten Umbaupause stehen anschließend die Finalspiele in der Disziplin Mixed Recurve an. Nun ist die Zielscheibe ganze 70 Meter entfernt. Das Zentrum ist etwa 12 Zentimeter groß – vergleichbar mit einer CD. Zudem kommt ein klassischer Bogen zum Einsatz. Das Duell zwischen BSG Raubling und SSC Fockbek ist lange auf Augenhöhe. Windböen lassen die Pfeile öfters abdriften. Doch schlussendlich können Katharina Bauer und Moritz Wieser vom BSG Raubling das Spiel für sich entscheiden und erkämpfen Bronze.
Im großen Finale stehen sich BSG Ebersberg und SGi Ditzingen gegenüber. Für uns Zuschauende folgt ein wahrer Krimi. Ein klares Siegerteam lässt sich bis zum letzten Satz nicht aus machen. Es kommt zum Stechen. Bei Punktgleichstand zählt der Abstand zum Zentrum. Herzschläge wummern durch die kleine Arena. Jede:r blickt auf die Zielscheibe. Dann geht alles ganz schnell und Elisa Tartler und Max Weckmülle vom BSG Ebersberg gewinnen mit zwei 9en die Goldmedaille. Was für ein Match!
Schwungvolles Speedklettern vor der Frauenkirche
Nur wenige hundert Meter vom Theaterplatz entfernt, befinden sich auf dem Neumarkt der 3x3-Basketball-Court sowie die 15 Meter hohe Kletterwand. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir die letzten Läufe des Wettbewerbs. Der Platz neben der Frauenkirche ist grandios gefüllt, die Stimmung ist ausgelassen. Schon die Duelle der Viertel- und Halbfinals sorgen für offene Münder. In deutlich unter 10 Sekunden sprinten die Männer die um 5 Grad geneigte Wand hinauf. Beeindruckend!
Im Finale kommt es dann zum brisanten Duell zwischen Sebastian Lucke und Leander Carmanns. Letzterer trainiert in Salt Lake City mit dem aktuellen Weltrekordhalter Samuel Watson. Nach dem Signalton geht es ganz schnell: Der 20-jährige Rheinländer spurtet die standardisierte Kletterwand hinauf. Die Uhr bleibt beim Fabelwert von 4,958 Sekunden stehen. Neuer deutscher Rekord! Der Jubel ist grenzenlos und das ungläubig dreinschauende Publikum braucht ein paar Sekunden, um das Geschehene zu verarbeiten. Einfach nur grandios!
Flottes Flag Football und leidenschaftliches Lacrosse im Ostragehege
Etwas von der Altstadt Dresdens entfernt befindet sich das Ostragehege. Die Sportplätze unweit des neuen Heinz-Steyer-Stadions, das Schauplatz der Leichtathletik-Wettbewerbe ist, sind die Heimat der besonderen Ballsportarten. An diesem Tag finden unter anderem die Spiele in der Disziplin Flag Football statt. Ähnlich des US-amerikanischen Vorbilds gilt es dabei den ei-förmigen Ball über das gegnerische Ende des Feldes zu befördern. Allerdings geht es deutlich gesitteter zu, da die Angriffe durch das Entfernen eines Bands an der Hose beendet werden. Wir beobachten das Ligaspiel der Lichtenberg Lions gegen die Kelkheim Lizzards. Immer wieder werden geniale Spielzüge abrupt unterbrochen. Ein Spielfluss kommt nicht wirklich zustande. Und trotzdem gibt es den ein oder anderen Touchdown. Sehr taktisch und mit vielen Pausen behaftet. Typisch Football eben.
Deutlich flüssiger (und damit spannender für uns Zuschauende) geht es auf dem Nebenplatz zu. Dort findet die Relegation der Frauenbundesliga in der Sportart Lacrosse statt. Dabei versuchen zwei Mannschaften mit einem Schläger, an dessen Ende ein Netzkorb sitzt, einen kleinen Hartgummiball ins Tor zu befördern. Schnelligkeit, Koordination und Timing ist gefragt. Auf dem Spielniveau funktioniert das phänomenal. Beeindruckend wie präzise die Kugel zwischen den einzelnen Spielerinnen hin und her wechselt. Körperkontakt ist bei den Frauen verboten. So entsteht zwischen den Dortmund Wolverines und dem Berliner Hockey Club ein attraktives Spiel mit wenigen Unterbrechungen, aber vielen Toren. Am Schluss können die Frauen aus dem Ruhrgebiet mit 11:9 nicht nur siegen, sondern auch den Aufstieg in die 1. Bundesliga feiern.
Rustikales Rudern im Alberthafen
Zum Abschluss des Tages besuchen wir die Ruderwettbewerbe im Alberthafen. Das Areal im Nordwesten der Stadt ist gerade noch fußläufig zu erreichen. Vor Ort angekommen erst einmal die Ernüchterung: Während an den anderen Spielstätten Tribünen das Zuschauen erleichtern, drängen sich die Fans direkt an der Hafenkante. Durch den niedrigen Pegelstand und die hohen Spundwände ist die Sicht stark eingeschränkt. Ein großer Bildschirm schafft Abhilfe, aber dann könnten wir es uns auch auf der heimischen Couch bequem machen. Deshalb entscheiden wir uns für den Wechsel zum Kopf des Hafens.
Von dort lassen sich zumindest die Läufe im Para Einer, Para Mixed und Achter vollumfänglich verfolgen. Schade, dass die Athlet:innen aufgrund der begrenzten Platzkapazitäten nur im Duell antreten. Die große Spannung bleibt damit aus. Dafür gibt’s ein einmaliges Erlebnis im städtischen Industriehafen. Wobei es vielleicht eine Fortsetzung geben könnte. Denn nach den ereignisreichen Tagen mit der überwältigenden Resonanz der Sportler:innen, aber auch des Publikums, könnten die Finals turnusmäßig in Dresden stattfinden. Wir, die Fans, hätten nichts dagegen.
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