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Im Musical „Das Wunder von Bern“.

Musik spielt in meinem Leben eine wichtige Rolle. Umso verwunderlicher ist es wohl, dass ich bisher kein einziges Musical live besucht habe. Das sollte sich im Rahmen meines Hamburg-Kurztrips ändern. Spontan ging es ins Stage Theater an der Elbe zum Fußball-Epos „Das Wunder von Bern“, das auf den gleichnamigen Film von Sönke Wortmann basiert und bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Einige verbale Impressionen.

Bereits die Anfahrt an das Musical-Gebäude ist ein Erlebnis. Das Stage Theater liegt am gegenüberliegenden Ufer der Elbe und ist für Touristen, die über öffentliche Verkehrsmittel anreisen, lediglich per Schiff erreichbar. Der Veranstalter stellt einen kostenlosen Shuttle-Verkehr bereit, mit dem innerhalb wenigen Minuten das andere Elbufer erreicht wird. Von dort offenbart sich in den Abendstunden ein herrlicher Blick auf den Hafen mit der beleuchteten Skyline.
Wunder-von-Bern-Platz
Doch nun zum eigentlichen Musical. Da ich mich spontan zum Besuch entschieden hatte, konnte der Last Minute Rabatt genutzt werden. Schlappe 50 Prozent spart man so auf den Regulärpreis – ich saß schließlich für knapp 60 Euro in Reihe 11 und hatte perfekten Blick auf die Bühne. Die war zu Beginn von einer halbtransparenten Leinwand verdeckt, als das orchestrale Opening erklang. Es wurden zu bewegender Musik mit den musikalischen Motiven der Hauptcharaktere eindrückliche Bilder des Nachkriegs-Deutschland gezeigt. Die Geschichte spielt nämlich 1954 – wie war es anders zu erwarten.

Die zu diesem Zeitpunkt vier köpfige Familie Lubanski sitzt zur Anfangsszene im trauten Heim und jeder betet jeweils für die eigenen Wünsche. Da ist der neunjährige Hauptcharakter Matthes, der für seinen besten Kumpel und Fußball-Profi Helmut Rahn um Spieleinsatz bittet. Die Mutter Christa hofft, dass sie die Kinder im nächsten Monat ernähren kann. Tochter Ingrid will endlich einmal richtig leben können, Sohn und Freigeist Bruno hinterfragt die aktuelle Lage. Als der Vater Richard Lubanski im weiteren Verlauf aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, findet er eine ihm unbekannte Familie vor – er muss sich an die Veränderungen schmerzlich anpassen, was auch musikalisch zum Ausdruck kommt.

Währenddessen beginnt in der Schweiz die Fußball-WM und Trainer Sepp Herberger versucht seine schwächelnde Mannschaft auf Vordermann zu bringen. Mit tollen Tanzeinlagen wird eindrücklich die Leistung der Fußballer nahe gebracht. Als Reporter wird unter anderem Sportjournalist Paul Ackermann in die Schweiz beordert, dessen neu angetraute Frau jedoch viel lieber in die Flitterwochen nach Italien, Spanien oder England fahren möchte.

Mit dynamischen, aber auch tiefsinnigen Balladen transportiert Komponist Martin Lingnau gemeinsam mit Texter Frank Ramond eine Menge Emotionen. Natürlich sind die typischen Musical-Muster erkennbar, werden allerdings aufgrund der vorherrschenden Genre-Bandbreite geschickt kaschiert. Da folgen Tango auf Rock ’n‘ Roll und weiter zum modernen Pop mit allerhand Tonartwechseln, die einem eine Gänsehaut verpassen. Dabei ist immer eine Brise Humor erkennbar – besonders beim Solo der Schweizer Putzfrau in „Seien sie nicht so deutsch“, in der die deutsche Disziplin aufs Korn genommen wird.

Nicht zuletzt lebt das Musical von den zahlreichen Kindercharakteren, die pro Woche nur zwei Vorstellungen spielen dürfen und in „Kinderspiel“ ihren großen (Fußball-)Auftritt haben. Doch auch die weiteren Darsteller überzeugen mit Gesangsqualität und schauspielerischem Können. Hier ist mir besonders Tetje Mierendorf (bekannt aus der ehemaligen Standup-Serie „Schillerstraße“) aufgefallen, dem ich einen solch tollen Gesang nicht zugemutet hätte. Auch die Verbindung zweier Handlungsstränge zu einem Song passte dank cleverem Bühnenbild wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Wunder-von-Bern-Kinder
Das „Wunder von Bern“ mündet schließlich im furiosen und spannend nachgestellten Final-Spiel gegen die ungarische Mannschaft. Im Mittelpunkt steht dabei das große Digitaldisplay, das während des Musicals die Bühne um tolle Bilder und Perspektiven künstlich erweitert. Die Spieler hängen an der Traverse montierten Seilen und spielen das Match an einer virtuellen Taktiktafel nach. Für die Atmosphäre wurden zu dramatischer Orchestermusik die Audio-Kommentare von Herbert Zimmermann eingespielt. Apropos Orchester: Das reicht in „Das Wunder von Bern“ von der klassischen Violine bis zum modernen Synthesizer und spiegelt eine große musikalische Vielfalt wider.

Insgesamt hielt das Musical für mich eine Flut fantastischer Eindrücke bereit. Sei es das opulente sowie vielfältige Bühnenbild, die zeitgemäß detailgetreuen Kostüme oder die facettenreiche und energiegeladene Musik. Echt beeindruckend, was aus einem Hauptthema alles variiert werden kann, ohne an Wiedererkennungswert zu verlieren. Wer also etwas für zugegebenermaßen seichtes Theater, gute Musik und natürlich Fußball übrig hat, sollte sich bei einem Hamburg-Besuch das Musical „Das Wunder von Bern“ nicht entgehen lassen – auch oder gerade wenn man im Vorhinein bereits den zu Grunde gelegten Film von Sönke Wortmann gesehen hat. Einige Titel können auch als Musikalbum bei Amazon* gekauft und gehört werden. Spotify bietet dazu auch einen Stream an. Durch „Das Wunder von Bern“ wurde ich auf jeden Fall ‚Musical-infiziert‘ und werde in Zukunft öfters eines besuchen.


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Bildquellen Szenen: Stage Entertainment

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