Dialekte sind in der Musik eher selten anzutreffen – vor allem der ungeliebte sächsische. Doch der Hip-Hop-Künstler Stefan Richter alias Ronny Trettmann machte daraus eine Tugend und kreierte so seine eigene Stilrichtung zwischen Urban, Pop, Reggae und Electro. Auch die kommerzialisierte Dancehall-Szene bekam damals ihr Fett weg. Am 23. Januar präsentierte der Leipziger neue Tracks. Bleibt der selbsternannte „Dancehall-Direktor“ seiner Linie treu?
Es ist kurz nach 22 Uhr. Das Chemnitzer Atomino ist gut gefüllt, dutzende Fans sind gespannt auf die nur teilweise veröffentlichten neuen Tunes von Trettmann. Seit letztem Jahr versucht der Leipziger einen Imagewandel und lässt deshalb den mit Vorurteilen behafteten Künstler-Vornamen weg. Die ersten Töne erklingen. Schnell wird klar, dass der verspielte Hip-Hop-Reggae-Artist in der letzten Zeit musikalisch deutlich erwachsener geworden ist. War das Album „Tanz auf dem Vulkan“ aus dem Jahr 2013 mit ironischer „Party“-Musik bestückt, so will die kommende „Kitschkrieg“-EP auch mit tiefergehenden, lyrisch nahezu perfekten Tracks überzeugen. Mit dem Track „NOPEGIDA“ übt er beispielsweise berechtigte Kritik an der fremdenfeindlichen Bürger-Bewegung. In Skyline – einem Song, der vor einigen Tagen veröffentlicht wurde – heißt es in der Hook:
„Ich seh‘ Vorboten einer neuen Eiszeit
Dekantier‘ die Welt, schenk uns reinen Wein ein
Mir egal wohin, ich steig ein
Was für ein Horizont, so ohne Skyline“
Produziert wurde die EP unter dem SoulForce-Label. Vom Stil her lassen sich so die Einflüsse von Mr. Fizzle erkennen: Bass wird ab sofort wieder extra-großgeschrieben. Dabei bleiben jedoch Reggae-Anleihen keinesfalls auf der Strecke. Richtig Stimmung kam allerdings erst bei den bekannten, älteren Songs auf, zu denen unter anderem „Kurz vor Nacksch“ oder „DDDD“ zählen. Als dann auch noch „Birnenpfeffi mit Zimt“ erklang, waren die Fans nicht mehr zu halten. Nach etwas mehr als einer Stunde war der Record-Release-Gig Geschichte.
Am 29. Januar kommt die „Kitschkrieg“-EP in den Handel. Dann könnt ihr euch selbst ein Bild machen, wie sehr Trettmann mit den neuen Songs seiner (sächsischen) Linie treu geblieben ist. Ich für meinen Teil sehe seine Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das lachende freut sich über Texte mit Niveau und ernsten Hintergründen sowie handwerklich richtig guter Musik. Das weinende trauert über das Zurückdrängen des sächsischen Dialekts, da Trettmann so ein Stück seines Alleinstellungsmerkmals verliert – auch wenn sich Sachsen hinsichtlich der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung nicht wirklich gut im Westen des Landes vermarkten lässt.
Update: Hier gibt’s die Kitschkrieg EP
Einige Impressionen vom Abend gibt’s in der folgenden Galerie.