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IAA 2025: Die zukünftige Gegenwart des eigenen Kraftfahrzeugs.

In der bay­ri­schen Lan­des­haupt­stadt Mün­chen findet wieder einmal die IAA Mobi­li­ty statt. Doch von der Trans­for­ma­ti­on hin zur Mobi­li­täts­mes­se ist wenig übrig geblie­ben. Das Auto­mo­bil bestimmt einmal mehr das Trei­ben im Open Space als auch die Vor­trä­ge der Fach­kon­fe­renz. Warum wird der Indi­vi­du­al­ver­kehr hier­zu­lan­de wei­ter­hin ver­göt­tert? Ist es nicht Zeit für neue Mobi­li­täts­kon­zep­te? Ein Essay über meinen gewan­del­ten Blick auf das pri­va­te Auto.

Über frühe Autoliebe und erste Bedenken

Rück­blen­de. Ich sitze im Alter von zwei oder drei Jahren auf dem Sofa im hei­mi­schen Wohn­zim­mer. Auf dem Schoß liegt eine Auto­zei­tung. Ich durch­blät­te­re das Maga­zin. Wie aus der Pis­to­le geschos­sen nenne ich Her­stel­ler und Modell­na­me des abge­lich­te­ten Fahr­zeugs. Meine Fami­lie amü­siert sich. Auf alten VHS-Kas­set­ten lässt sich noch heute meine frühe Auto­lie­be erkennen.

Klein Jonas mit Autozeitung
Schon als klei­ner Junge war ich an Autos interessiert.

Später im Jugend­al­ter inves­tie­re ich öfters 1,20 Euro meines knap­pen Taschen­gelds in bunte Auto­zeit­schrif­ten. Nicht weil ich auf der Suche nach einem eige­nen künf­ti­gen Pkw bin. Son­dern weil mich Design und Tech­nik fas­zi­nie­ren. Ich würde sogar soweit gehen, dass mich der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt begeis­tert. Zu dem Zeit­punkt ist für mich als Land­kind der Indi­vi­du­al­ver­kehr nicht diskutierbar.

Auch die Jahre meines Maschi­nen­bau-Stu­di­ums in Chem­nitz nähren mein Inter­es­se an der Auto­mo­bi­len Tech­nik. Die ersten Hybrid­mo­del­le sind auch hier­zu­lan­de beliebt. Doch nun rückt immer öfter das Wort „CO2-Aus­stoß“ in den Fokus. Lang­sam rea­li­sie­re ich, dass der Kraft­stoff­ver­brauch nicht nur ein wich­ti­ger Faktor für den Geld­beu­tel, son­dern auch für die nicht immer sicht­ba­re Belas­tung der Umwelt ist.

Als ich 2018 meinen ersten Voll­zeit­job begin­ne, steht außer Debat­te, dass ich mir ein erstes eige­nes Auto kaufen werde. Der Frei­heits­ge­dan­ke hat sich auch bei mir tief im Gehirn ein­ge­nis­tet. Doch der Fokus liegt schon jetzt nicht auf PS und Protz, son­dern auf Res­sour­cen- und Kos­ten­ef­fi­zi­enz. Leider ist die Elek­tro­mo­bi­li­tät zu diesem Zeit­punkt zu teuer oder mit großen Kom­pro­mis­sen behaf­tet. So fällt die Wahl auf einen kom­pak­ten Benziner.

Das Auto als Familienmitglied?

Mit den Jahren lerne auch ich meinen treuen Beglei­ter lernen und „lieben“. Spon­ta­ne Aus­flü­ge und Reisen sind mit Leonie, wie ich meinen klei­nen Seat Leon lie­be­voll nenne, mög­lich. Die lau­fen­den Kosten sind gering. Zwar nutze ich in der Stadt oft Bus und Tram, aller­dings kommt über­re­gio­nal meist das Auto zum Ein­satz. Auch des­halb, weil die Ticket­prei­se der Deut­schen Bahn oft deut­lich höher als die des Ben­zin­prei­ses sind. Die Corona-Pan­de­mie erwei­tert die Liste um den Sicherheitsaspekt.

Seat Leon 5F
Mein Seat Leon 5F ist bis heute Teil der Familie.

Das sollte sich ändern, als im Sommer 2022 die Corona-Pan­de­mie nahezu über­stan­den war und das 9‑Euro-Ticket Einzug hält. Mit einem Schlag gewinnt der ÖPNV für mich an Bedeu­tung. Das Auto kommt nur noch selten zum Ein­satz. Die über­vol­len Züge zeigen mir, dass sich mit dem Redu­zie­ren der Ticket­prei­se und der fle­xi­blen Nut­zung eines monat­li­chen Fahr­scheins viele Men­schen auf die Schie­ne locken lassen.

In den drei Mona­ten wird mir deut­lich, dass das Auto oft zu Unrecht emo­tio­na­li­siert wird. Stim­men die Kosten, kann es auch gern länger in der Garage oder auf dem Park­platz stehen. Ich frage mich: Warum also wird der ÖPNV nicht mehr geför­dert? Und warum sind die Städte auto­mo­bil- aber alles andere als fahr­rad­freund­lich kon­zi­piert? Immer­hin emit­tie­ren Ver­bren­ner­mo­to­ren gut und gerne 200 Gramm, also zwei Tafeln Scho­ko­la­de, kli­ma­schäd­li­ches Koh­len­stoff­di­oxid pro Kilo­me­ter in die Luft.

Es ist Zeit für neue, öffentlich geförderte Mobilitätskonzepte

Immer­hin gewinnt die Elek­tro­mo­bi­li­tät zuneh­mend an Fahrt. Und das ist wort­wört­lich zu nehmen, denn Reich­wei­ten und Zweck­mä­ßig­keit werden zwar immer besser. Aller­dings ist die Gewin­nung der wich­ti­gen Metal­le alles andere als umwelt­freund­lich, wie eine fron­tal-Repor­ta­ge zeigt. Und auch die E‑Autos lösen sich in den dicht bebau­ten Städ­ten nicht in Luft auf. Flä­chen sind rar, auch zum Parken. Die Auto­mo­bi­le, in denen zum Groß­teil kaum mehr als eine Person sitzt, stehen etwa 23 Stun­den des Tages. Es sind also mehr Steh- als Fahr­zeu­ge. Wäh­rend­des­sen ver­lie­ren sie nicht nur an Wert, son­dern ver­mo­dern und begin­nen zu rosten.

Des­halb finde ich in Zeiten des Smart­phones das Car­sha­ring als wich­ti­ge Stütze der indi­vi­du­el­len Mobi­li­tät. Das meint auch Autorin und Akti­vis­tin Katja Diehl, deren Buch „Auto­kor­rek­tur – Mobi­li­tät für eine lebens­wer­te Welt“ (Spon­so­red Link) ich nur jedem und jeder Auto­fah­ren­den, der/die sich nur ein biss­chen selbst reflek­tie­ren will, nur ans Herz legen kann. Denn das Auto an sich sollte nicht ver­teu­felt werden. Viel­mehr gilt es, den pri­va­ten Besitz sowie die über­mä­ßi­ge Nut­zung für kurze Stre­cken kri­tisch zu hinterfragen.

Katja Diehl "Autokorrektur"
Katja Diehl führt die auto­zen­tri­sche Ver­kehrs­po­li­tik vor Augen.

Auf der IAA Mobi­li­ty in Mün­chen ist von diesen Kon­zep­ten nichts zu sehen. Opu­len­te Stände locken die Inter­es­sier­ten an. Pro­be­fahr­ten mit den neuen, zum Groß­teil elek­trisch ange­trie­be­nen Model­len, sollen Lust auf eine Bestel­lung machen. Denn nur ver­kauf­te Kraft­fahr­zeu­ge kur­beln den Absatz und damit die Wirt­schaft an. Dabei schrän­ken indi­vi­du­el­le Frei­hei­ten, wie etwa auch das nicht vor­han­de­ne Tem­po­li­mit, das Leben der Gesell­schaft ein. Fein­staub­par­ti­kel – auch der Reifen – schä­di­gen Lunge und Ner­ven­ge­we­be. Der Ver­kehr ist Stress­fak­tor Nummer 1. Und jeden Tag ver­lie­ren acht Men­schen ihr Leben auf deut­schen Stra­ßen. Beson­ders ein­drück­lich ist für mich die über­höh­te Emo­tio­na­li­sie­rung in der 90-minü­ti­gen ARD-Doku­men­ta­ti­on „Kraft­fahr­zeug – Eine deut­sche Liebe“.

Dank Deutschlandticket mit Bus und Bahn mobil

Eines dieser Werk­zeu­ge uns Men­schen in den ÖPNV zu locken, ist das Deutsch­land­ti­cket. Denn durch das monat­li­che Abo fällt nicht nur der umständ­li­che Kauf weg. Auch die zeit­rau­ben­de Recher­che zu Tarif­gren­zen ist damit passé. Seit mehr als zwei Jahren nutze ich diese Mög­lich­keit unkom­pli­ziert zwi­schen und inner­halb Stadt und Land zu reisen. Mein Auto lasse ich des­halb immer öfter stehen.

Klar benö­ti­ge ich für die ein oder ande­ren Stre­cke mehr Zeit. Natür­lich ist es nicht so kom­for­ta­bel wie mit dem eige­nen Auto von Tür zu Tür zu fahren. Selbst­re­dend setzt man sich auch mal nie­sen­den und hus­ten­den Mit­men­schen aus. Dafür kann ich wäh­rend­des­sen arbei­ten, lesen, mich kon­zen­triert mit Freund:innen unter­hal­ten oder ein­fach nur ent­span­nen. Zudem schenkt mir jede Fahrt ein grünes Gewissen.

Das wün­sche ich mir manch­mal nicht nur von der Poli­tik, son­dern auch von den Her­stel­lern. Das „Ver­bren­ner-Aus“ ist eben keine Hürde, son­dern eine Chance. Weg von kli­ma­schäd­li­chen, anti­quier­ten Tech­no­lo­gien. Weg von großen, unprak­ti­schen SUV, die nicht nur dem Klima, son­dern auch der Auf­ent­halts­qua­li­tät scha­den. Denn wir alle haben Ver­ant­wor­tung für diesen Pla­ne­ten, für unsere Mit­men­schen und beson­ders für unsere Nach­fah­ren. Wir können unsere Umge­bung lebens­wer­ter machen – wenn wir nur wollen.

Besitzt Du ein eige­nes Auto? Welche Alter­na­ti­ven nutzt Du?

Teaser­fo­to: © IAA Mobility


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