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Fabelhaftes Farbenspiel beim „Light our Vision“ in Chemnitz.

Langsam aber sicher halten hierzulande der Herbst und mit ihm die grauen Tage Einzug. Umso schöner, wenn farbenfrohe Lichter die dunkler werdenden Abende aufmuntern. Im Rahmen des Lichtkunstfestivals „Light our Vision“ (kurz: LOV) des Baukultur für Chemnitz e. V. erstrahlen Gebäude und Sehenswürdigkeiten der Industriestadt an vier Abenden im neuen Licht. Einige Eindrücke einer Exkursion voller farbenfroher Entdeckungen.

Großer Bahnhof für futuristisches Licht

Mitten in der Blauen Stunde beginnt mein Weg durch die beleuchtete Innenstadt am Chemnitzer Hauptbahnhof. Dort wo eigentlich tagtäglich tausende Menschen unfreiwillig verweilen, tummeln sich an diesem Abend eine Vielzahl Kunstinteressierte. Sowohl an der opulenten Pixelfassade als auch am breiten Haupteingang sind farbenfrohe Schriftzüge und Animationen zu erkennen. Besonders imposant finde ich das Werk von Rico Meier, der die Jagd eines Bären visualisiert. Im weiteren Verlauf mutiert die Front zu einem futuristischen Bahnhof, in dem ein aktueller Inter City Express zum Halten kommt. Vielleicht hat der Künstler ja auch hellseherische Fähigkeiten.

Über die Carolastraße führt der Weg zum Theaterplatz. Dort ist neben der Petrikirche das Opernhaus hell beleuchtet. Das von Richard Möbius im frühen 20. Jahrhundert erdachte Gebäude verwandelt sich in eine visuelle Abstraktion. Unter Regie des Bremer Medienkünstlers Daniel Rossa laufen im Takt der elektronischen Musik symmetrische Linien um die schmucke Silhouette. Flüchtiges Licht auf ewiger Architektur. Ein beeindruckendes Schauspiel, das bereits die ikonische Oper in Sydney sowie die Hamburger Elbphilharmonie zierte.

Vielfältige Visionen an DDR-Relikten

Durch die Kunstsammlungen Chemnitz geht es auf kürzestem Weg zum Marienplatz und dem alten DDR-Behördengebäude, der sogenannten Parteisäge. Es spielt eine zentrale Rolle beim Lichtkunstfestival „Light our Vision“. Nicht nur weil die Front eine breite Projektionsfläche bietet. Sondern auch, weil es in der Vergangenheit der drittgrößten sächsischen Stadt eine große Bedeutung hatte. Unter dem passenden Titel „Widerstandsmoment II“ erweckt der Hamburger Künstler Hinrich Gross zum Sound von Sylvia Schultes die Fassade zum Leben. Grünes bricht sich Bahn. Proportionen verschieben sich, Details und Texturen finden sich an außergewöhnlichen Stellen wieder.

Auf der Westseite des geschichtsträchtigen Gebäudekomplexes zeigt das Kollektiv Hotaru Visual Guerrilla sein Werk „Convergence“. In der Mapping-Show vermengen sich die dreidimensionale Fassade mit organischen Formen und abstrakten Mustern. Experimentelle Musik rundet das künstlerische Mosaik der Basken Ander Ugartemendia und Jone Vizcaino ab, das bereits in Italien, Frankreich, den USA und Japan für Begeisterung sorgte. In unmittelbarer Nachbarschaft findet sich am bekannten Karl-Marx-Monument das Werk von Vanessa Cardui. Die Berlinerin erweckt die versteinerte Mine in ihrem Werk „Finger weg!“ zum Leben. Im Stile eines Stop-Motion-Films erzählt sie die farbenfrohe Geschichte fiktiver Personen bis zum Tod. Das plastische Relief Karl Marx’ des sowjetischen Künstlers Lew Kerbel verleiht dem Werk eine beeindruckende Tiefe und Dreidimensionalität.

Leben und Urbanität im Stadthallenpark beim Light our Vision

Der LOV-Pfad führt auf direktem Wege über die Brückenstraße in den Stadthallenpark. Dort haben das freischaffende Künstlerpaar Katerina Kuznetcowa und Alexander Edisherov ihre Arbeit „Park Intermezzo“ aufgebaut. Gestapelte Obst- und Gemüsekisten mit Beleuchtung stellen urbane Hochhäuser dar, die im Kontrast zum grünen Areal stehen. Im Gegensatz dazu verwandelt die Berliner Künstlerin Liudmila Siewerski die bionischen Strukturen der Stadthalle Chemnitz in ein grünes Paradies. Ihre Projektion mit dem Titel „Don’t you know Earth is a paradise?!“ besteht aus generativen Grafiken mit 3D-Texturen sowie Soundkompositionen und erlaubt einen Blick in einen utopischen Garten innerhalb der urbanen Umgebung.

Eine besondere Anziehungskraft auf die zahlreichen Kinder besitzt ein überdimensionaler Pappmaché-Kopf eines Studenten des Audio- und Acoustical Engineering aus Mittweida. Unter dem Titel „U n I Thing“ dekonstruiert Maik mit dem Bike Gesichter sowie Gesagtes und setzt sie auf mehreren Bildschirmen wieder zusammen. Die Interpretation wird uns Betrachtenden überlassen. Vorausgesetzt man lässt sich darauf ein. Deutlich simpler ist das Werk „dip“ von Jonas Vogt im Stadthallenbrunnen direkt vor dem Roten Turm. In zyklischen Intervallen aus Licht und Nebel erzählt eine orangefarbene Sonne in 30 Minuten die Geschichte eines Tages. Viele Menschen verweilen auf den Stufen und genießen das warme Licht. Lagerfeueratmosphäre kommt auf.

Im Hintergrund erstrahlt die Einkaufspassage in einem hypnotisierendem Licht. Ein Gefühl von Schwerelosigkeit vermittelt das Currents Kollektiv um Roman Heller mit einem Farbenspiel aus Wind, Wasser und Wirbel. Der eigens komponierte Soundtrack vollendet die raumfüllende Fassadenprojektion. Ein Walking Act der Oakleaf Streetshow rundet das Lichtkunstfestival gebührend ab. Anmutig wandeln jeweils ein farbenfroh beleuchteter Fisch, Oktopus und Seepferdchen über die Innenstadt. Auch sie zeigen, dass die Kulturhauptstadt Europas 2025 Chemnitz bunt ist – nicht nur tagsüber.

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