Je älter ich werde, desto interessanter finde ich geschichtsträchtige Orte. Unlängst hat mich der Weg zum altehrwürdigen Römerkastell Saalburg nördlich von Bad Homburg vor der Höhe bei Frankfurt am Main geführt. Ich bin an einem sonnigen Wintertag in die rekonstruierten Gemäuer eingetaucht. Einige Eindrücke.
Eine Zeitreise in die ersten Jahrhunderte nach Christus
Die flache Wintersonne kitzelt angenehm die Nase. Es sind nur wenige Grad Celsius über Null auf der kleinen Anhöhe im hessischen Taunusgebirge. Unscheinbar lugt ein rekonstruiertes Kastell durch den kahlen, aber schneefreien Winterwald. Mit dem Gang über die beiden Spitzgräben und dem Durchschreiten eines der 3,36 Meter breiten Tore der „Porta Praetoria“ öffnet sich eine historisch anmutende Welt. Aber welche genau?
In den ersten Jahrhunderten nach Christus ist Europa vom Römischen Reich durchzogen. Bis weit in die Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen des heutigen Deutschlands erstreckt sich das Kaiserreich. Eine der natürlichen Übergänge zum Siedlungsgebiet der Germanen bildete der Saalburgpass im Taunus. Und so kam es, dass Anfang des 2. Jahrhunderts eben auf dieser Anhöhe ein erstes Kastell aus Holz errichtet wurde. Forschende gehen davon aus, dass ein 160 Mann starkes „Numerus“ (lateinisch für Einheit) stationiert war. Sie hatten unter anderem die Aufgabe den Limes zu schützen. Zunächst nur als Schneise ausgeführt, wurde die Grenzlinie um 120 nach Christus mit einer hölzernen Palisade markiert.
Bereits 15 Jahre später reichte das Holzkastell nicht mehr aus und wurde durch in 3,2 Hektar großes Lager für eine Kohorte, einer Infanterie-Einheit von circa 500 Mann, ersetzt. Als Vorbild diente die Römerstadt Nida, dem heutigen Frankfurt-Heddernheim. Nur wenige Jahre sollte die Holz-Stein-Mauer bestand haben. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts wurde sie gegen eine gemörtelte Steinmauer mit angeschütteter Erdrampe ersetzt. Diese letzte Bauphase entspricht der heutigen Rekonstruktion des Kastells mit seiner Ausdehnung von 147 mal 221 Metern.
Mit dem Fall des Limes um das Jahr 260 und dem Verlust des rechts-rheinischen Gebietes scheint das Kastell Saalburg ohne Kampfhandlungen geräumt worden zu sein. Im Anschluss verfiel die Verteidigungsanlage und wurde als Steinbruch genutzt. Mitte des 19. Jahrhunderts starteten die Ausgrabungstätigkeiten und die Planung des Wiederaufbaus unter Louis Jacobi. Heute zählt das Kastell zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist Teil des Archäologischen Landesmuseum Hessen.
Modernes Leben im antiken Römerkastell Saalburg
Hinter dem schweren Eingangstor und der Statue von Kaiser Antoninus Pius (86 – 161) erwartet mich ein langer, sonnendurchfluteter Hof. Vorbei am „Praetorium“, dem Zentralgebäude der Heeresleitung, und „Horreum“, dem Lagerhaus, erwecken moosbewachsene Mauerruinen meine Aufmerksamkeit. Kleine Kanäle sind sichtbar. Eine Tafel gibt des Rätsels Lösung: Ich stehe vor einer wasserbetriebenen Raumheizung. Aus einem kleinen Vorraum wurde warmes Wasser in die Gebäudeböden geleitet, dies sich dadurch erwärmten. Bodenheizungen sind also alles andere als eine neue Erfindung.
Weiter führt der Weg zur „Fabrica“, der Werkstatt. Darin lassen sich nicht nur kindgerechte Mitmachangebote finden, sondern auch detaillierte Rekonstruktionen der damaligen Handwerksberufe Schuhmacher und Beinschnitzer. Besonders eindrucksvoll finde ich die ausgestellten Ausgrabungsfunde: Tassen und Teller aus Ton, aber auch Kleidungsstücke wie Schuhe wurden entdeckt. Die detailgetreu nachgebildete Garküche versetzt mich nicht nur in die Antike, sondern lässt auch meinen Bauch hungrig grummeln. Doch die alten Mauern wollen erst erkundet werden.
Wieder draußen angekommen, werfen die hohen Bäume lange Schatten. Die Wintersonne taucht das historische Bauwerk in weiches Licht. Die weiten Grünflächen laden zum Flanieren ein. Mein blick schweift dem Wall entlang. Am Ende der langen Ostmauer lugt ein kleines Dach hervor. Darunter verbergen sich zwei alte Lehmöfen, die noch heute für Schauvorstellungen zum Einsatz kommen. Nach links führt der Weg zur „Porta Decumana“, dem nördlichen Lagertor. Es ist deutlich schmaler als der opulente Haupteingang. Wenige Meter daneben lassen sich Reste der ursprünglichen Holz-Stein-Mauer finden.
Licht und Schatten in den historischen Höfen
Die Westseite des Römerkastells wirkt wie ein großer, lichter Park. Die weiten Wiesen lassen die ausladenden Bäume herrlich zur Geltung kommen. Die langen Gebäude sind ein willkommener Hintergrund. Die Besichtigung der Saalburg gipfelt im Besuch der „Principia“, dem Stabsgebäude der Kohorte. Mit 41 x 58 Metern war es das größte Gebäude des Geländes. Im Inneren findet sich heute ein lichtdurchfluteter Innenhof mit Brunnen. Vor 2.000 Jahren scheint der Hof jedoch geschlossen gewesen zu sein.
In den einzelnen Räumen wurden Waffen oder auch Fahnen gelagert. Letztere sind im sogenannten „Aedes“, dem Fahnenheiligtum zu finden. Aber auch wissenswerte Ausstellungen beherbergt das Hauptgebäude. In der großen „Basilica“, der Vorhalle, grüßt unter anderem Kaiser Hadrian (76 – 138) in Form einer nachgebildeten Statue. Die römische Basilika-Bauweise sollte jahrelang die Grundform aller Kirchengebäude werden.
Nach so reichhaltig geistiger Nahrung bietet sich für das leibliche Wohl ein Besuch des Museumsrestaurant „Taberna“ an. Die Speisekarte liest sich wie zu römischen Zeiten. Eine besondere Empfehlung kann ich der lukanische Bratwurst aussprechen, die sich durch ihre grobe Würzung auszeichnet. Für den größeren Hunger eignet sich der vielseitige Römerteller Taberna. Und so endet der winterliche Ausflug in das Römerkastell Saalburg nicht nur mit visuellen, sondern auch gustatorischen Eindrücken.