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IFA 2015. Meine Tops und Flops.

Das dritte Mal in Folge durfte ich in der letzten Woche Gast auf der größten europäischen Elektronikmesse, der Internationalen Funkausstellung in Berlin sein. Die Hersteller schmissen wieder einmal mit allerhand Marketingsprüchen um sich und versuchten die Fachpresse von den eigenen Produkten zu überzeugen. Doch hinter welchen Geräten verbargen sich mehr als nur blumige Versprechungen? Meine persönliche Hitliste der Tops und Flops.

Tops

Mobile Computing

Mit Hilfe der neuesten Prozessorgeneration aus dem Hause Intel (Skytrail) mit kompakter Bauweise und neuen Funktionen sowie dem Windows 10-OS sind ab sofort neue platzsparende Geräte möglich: In Form von USB-Sticks (ASUS Vivo Stick) oder gar Smartphones (Acer Jade Primo). Letzteres ist durch Continuum, einer neuen Windows 10-Funktion möglich. So wird das Acer-Smartphone zum Marktstart in Q1 2016 mit Maus und Tastatur ausgeliefert. Generell legen die Hersteller wie auch in den Vorjahren einen großen Wert auf Mobilität durch neue 2-in-1-Modelle.

Ein weiterer Teil des „Mobile Computing“ ist die Peripherie, die in Sachen Usability stark zugelegt hat. Hier ist mir unter anderem der Notizblock Spark von Bamboo aufgefallen: Über Sensorik, die unter dem Schreibpapier integriert ist, erkennt das Gadget Eingaben bzw. die eigene Schrift. Das Schriftbild wird anschließend 1:1 auf das Tablet oder Smartphone übertragen – eine feine Sache für vielschreibende Studenten wie mich. Der Clou: Geschriebene Notizen können im Anschluss Strich für Strich gelöscht und zurückgenommen werden.

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Smart Home

Ein aktuell großes Thema ist das Smart Home, dem Vernetzen der Heimelektrik und dem Anbringen intelligenter Sensoren. Panasonic stellte gemeinsam mit der Allianz ein Home Security Paket vor, mit dessen Hilfe Schäden bei Abwesenheit schnell behoben werden können. So wird der Kunde etwa bei Glasbruch und Wasserschäden per SMS informiert. Reagiert er in einer vorgegebenen Zeit nicht, wird der Vorfall an den Versicherungspartner Allianz weitergeleitet und er kümmert sich um die Behebung.

IFA15-Panasonic-Allianz-Security

Auch in Sachen Produktservice könnte es bald zur „Heimrevolution“ kommen. Gemeinsam mit dem Branchenriesen IBM entwickeln Hersteller wie Miele oder Electrolux intelligente Geräte, die Abweichungen vom Normalbetrieb erkennen, sich selbst „reparieren“ oder direkt einen Dienstleister kontaktieren. Ein Beispiel: Waschmaschinen erkennen die Drehzahl und protokollieren diese. Bei Problemen wie Drehzahlabfall greift das System selbst ein und versucht es zu beheben. Per Fernwartung können Probleme zusätzlich von Experten behoben werden. Mehr dazu wird es in Kürze bei den Netzpiloten geben.

IFA15-Watson-Miele-wp

Eine Stufe weiter geht die künstliche Intelligenz bei Watson. Auf der IFA hat IBM den persönlichen Assistenten als Koch präsentiert. Dabei wurde das System mit 10.000 Rezepten aus dem amerikanischen Chef-Pendant Bon Appétit „gefüttert“ und angelernt. Im Anschluss wusste und weiß das System welche Zutaten zusammen passen und schmecken. Per App können dann die verfügbaren Zutaten eingetragen werden und Watson kreiert selbstständig ein entprechendes Rezept – sehr beeindruckend.

Virtual & Augmented Reality

Apropos beeindruckend: Das war auch meine Demo der VR-Brille Vive von HTC. Auch wenn das Gadget bereits vor etlichen Monaten vorgestellt wurde, ist sie mein persönliches Highlight auf der Funkausstellung gewesen. Per Lighthouse werden Körper- sowie Kopfbewegungen genauestens erfasst und in Daten umgewandelt. Innerhalb weniger Millisekunden passt der angeschlossene High-End-PC das Bild an und interagiert so mit dem Nutzer. Anders als bei herkömmlichen VR-Systemen kommt dabei kein klassischer Controller zum Einsatz, sondern die eigenen zwei Beine. Hinzu kommen zwei Sticks, die sich recht intuitiv bedienen lassen. Auch das macht das Erlebnis realistischer.

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Ebenfalls gezeigt wurde das „Project Tango“, das von Prozessorhersteller Intel ins Leben gerufen wurde. Hier bei handelt es sich um eine Art Augmented Reality, also erweiterte Realität. Zur Demonstration wurde unter anderem ein Egoshooter gezeigt, der über Bewegungen im Raum per Tablet gespielt werden kann oder aber auch Minecraft, das in den Raum hinein gebaut werden kann. Interessant für Logistiker war die „Kisten-Demo“. Über die integrierte 3D-Kamera konnten Kartons gescannt und zentimetergenau vermessen werden. Anschließend wurde durch eine Raumeingabe errechnet, wie eine bestimmte Anzahl an Kisten platzsparend aufeinander gestapelt werden können.

Flops

Die „TV-Mania“ und Smartphones mit 4K

Wie jedes Jahr gab es auch dieses Mal eine ganze Reihe „neuer“ TV-Geräte zu sehen. Die Hersteller übertrumpfen sich mit Vergleichen zu Vorgänger-Modellen und Sticheleien gegen Konkurrenz-Unternehmen. Der neue Trend stellt dabei organisches LED (OLED) bei 4K-Auflösung (4-fach FullHD) und HDR (High Dynamic Range) dar. Jeder namhafte Hersteller hatte sein Gerät dabei und zeigte wie farbtreu doch das Bild sei. In der Praxis konnte man beim direkten Vergleich nur marginale Unterschiede feststellen – für den Normalanwender also kaum relevant.

Achso: 3D wurde übrigens so gut wie von der Messe verbannt. Scheinbar wurde die „bahnbrechende“ Innovation aus 2012 von den Kunden nicht so gut angenommen wie gedacht und/oder die Hersteller entwickelten sich in eine Sackgasse.

Ebenfalls zum Kopfschütteln war Sonys Präsentation des Xperia Z5 Premium. Als weltweit erster Hersteller stellte das japanische Unternehmen ein Mobiltelefon mit 5,5 zoll großem 4K Display und einer Pixeldichte von 807 ppi vor. Davon abgesehen, dass das menschliche Auge die Auflösung auf den Geräten gar nicht wahrnehmen kann, fressen Pixel bekanntlich Unmengen an Akkustrom und so dürfte die Laufzeit des 3.430 mAh starken Moduls hinter denen der kleinen Geschwister liegen. Sorry Sony, aber mit solchen Marketinggeräten holt ihr heutzutage keine Interessenten mehr an den Ladentisch.

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Smartwatches

Im letzten Jahr stand die IFA im Zeichen der Wearables, insbesondere der Smartwatches. Auch dieses Jahr gab es etliche Neuheiten wie die ASUS ZenWatch 2, die Motorola 360 oder auch die finale Huawei Watch, doch irgendwie hat es mir an neuen, innovativen Features gefehlt: Die Akkulaufzeit ist weiterhin schlecht und die Funktionen gehen über Benachrichtigung, eine Anzeigenerweiterung sowie Fitness-Aufzeichnungen kaum hinaus. Erfreulich ist jedoch zu sehen, dass Premium-Hersteller wie ASUS die Uhren für deutlich schmaleres Geld verkaufen können: 169 Euro sind eine echt Ansage.

TL;DR: Die Zeit der großen, bahnbrechenden Innovationen ist leider vorbei und so ist es an der Zeit zu fragen, ob sich eine jährliche IFA in Berlin überhaupt noch lohnt. Ein Zwei-Jahres-Rhythmus würde dem Ganzen sicher gut tun. Denn so macht sich die Branche aufgrund hochgesteckter Erwartungen nur kaputt und die Kunden sind im Endeffekt von den viel zu kleinen Schritten enttäuscht. Als positiven Nebeneffekt könnten die Hersteller dann ausgereifte Lösungen vorstellen. Denn viel zu oft ist mir aufgefallen, dass aufgrund des herrschenden Konkurrenzdruckes nur erste Prototypen, wenn nicht gar Dummys präsentiert wurden.

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