Humorvolle, sich reimende Texte verpackt mit anspruchsvoller Klaviermusik: Das ist Bodo Wartke, der wohl beste und bekannteste Musikkabarettist unserer Zeit. Am 5. März war er in der Chemnitzer Stadthalle zu Gast, um in orchestraler Form gemeinsam mit dem „Capital Dance Orchestra“ sein aktuelles Best-Of-Programm „Swingende Notwendigkeit“ zu Gehör zu bringen. Einige verbale Eindrücke vom musikalischen Witze-Spektakel.
Es war Punkt 20 Uhr als die 13 Musiker des Capital Dance Orchestra die Bühne betraten und hinter ihren im Stile der 20er-Jahre gehaltenen Pulten Platz nahmen. Mit einem frischen Intro begrüßten sie den Gastgeber Bodo Wartke, der in einem weißen Anzug daher kam und sich mit dem Programm einen Traum erfüllt. In den ersten Minuten lebte das Konzert von einem Zwiegespräch zwischen dem Orchesterleiter David Canisius und dem Klavierkabarettisten. Beide seien schon öfters getrennt in Chemnitz gewesen und hätten nur die besten Erinnerungen. Warum also nicht einmal mit einem gemeinsamen Programm die Zuhörer begeistern? Erstmals sollten die Musiker nun gemeinsam in der Chemnitzer Stadthalle mit dem Best-Of-Programm „Swingende Notwendigkeit“ zu hören sein. Um die Qualität des Konzertes sicherzustellen schlossen beide den Pakt, dass derjenige, der sich verspielt, doch bitte die Bühne verlassen solle – Bodo Wartke eingeschlossen. Zu diesen Maßnahmen musste schlussendlich allerdings nicht gegriffen werden.
Los ging es mit dem Klassiker „Ich trau‘ mich nicht“. Bereits da wurde klar, dass die Big Band aus der Hauptstadt keine Hobbygruppe ist, sondern auf richtig hohem Niveau musiziert. Selbst die Abstimmungen in den langen Pausen, die das Stück nun mal hat, funktionierten ausgesprochen gut. Es folgte der zu Chemnitz besonders passende Titel „Architektur in Deutschland“, der in einem stattlichen Militär-Marsch dargeboten wurde – was angesichts der sozialistischen Bauten auch durchaus passte. Dass das Capital Dance Orchestra auch zeitgenössische Musik spielen konnte, wurde im folgenden „Regen-Reggae“ klar. Bedenken von Orchesterleiter Canisius, dass die jamaikanische Stilrichtung nicht zu Smoking passen würden, zerstreute Bodo Wartke und betonte den expliziten Zusammenhang. Das Publikum lachte lauthals. Ganz Gentleman stellte der Kabarettist im ersten Teil nach und nach die Instrumentalisten vor, die sich jeweils mit einem Solo bedankten.
Eine weitere Perle des ersten Teils war für mich das Stück „Loveparade“, das in einem gediegenen Walzer dargeboten wurde. Bodo begründete dies mit den Worten: „Der Walzer war der Techno von damals.“ Es folgten Titel mit den Stilrichtungen Tango („Dein Duft“) und Cha Cha Cha („Konstanze“), die vom Künstler tänzerisch zelebriert und vom Publikum frenetisch gefeiert wurden. Als sich David Canisius und Bodo Wartke beim letzten Stück vor der kurzen Pause nicht einig waren, welches Genre beim Beziehungssong „Ja Schatz“ erklingen sollte, knobelten es sich die beiden kurzerhand aus. Es gewann natürlich der Mann im weißen Anzug, der den Titel unbedingt in einer Metal-Variante darbieten wollte. Und so performte er eine furiose erste Strophe des Klassikers.
Nach der Pause begrüßte Bodo Wartke mit Lucy Flournoy und Anita Hopt die beiden Background-Sängerinnen auf der Bühne. Mit „Avec Plaisir“ erklang auch gleich der passende Song über die Klavier-Kavallerie, der im Stile der 20er-Jahre präsentiert wurde. Natürlich durften auch beschwingte und poppige Klänge nicht fehlen, die unter anderem im Song „An Dich“ oder „Meine neue Freundin“ erklangen. Der Titel „Bettina“ wurde sogar im gefeierten Dancehall mit pianistischen Salsa-Parts dargeboten. Dabei gab Bodo Wartke wortwörtlich alles für eine tolle Performance: Bei einem Stunt riss er sich die Hose auf, was natürlich für einige Lacher sorgte.
Als Zugabe sollte unter anderem „Das letzte Stück“ erklingen, ein Titel der sich um das letzte Quäntchen im Leben drehte. Auch der als spiritueller Gospel gespielte Song „Believe in Steve“, der die „Apple-Religion“ thematisierte, durfte nicht fehlen. Passend zum Chemnitzer Friedenstag, der traditionell am 5. März begannen wird, erklang zum großen Abschluss das emotionsgeladene „Liebeslied“. Neben den von Bodo Wartke gewählten Sprachen deutsch, persisch und russisch durften sich drei Zuhörer eine Sprache wünschen. Dabei erklang zusätzlich hebräisch, spanisch und polnisch. Nach rund 160 Minuten endete das phänomenal unterhaltsame Konzert mit stehenden Ovationen. Und so hatte wirklich jeder beim Verlassen der Stadthalle ein breites Grinsen im Gesicht.
Insgesamt war „Swingende Notwendigkeit“ mit Bodo Wartke und dem Capital Dance Orchestra das qualitativ wohl beste Konzert, das ich je besuchen durfte. Sowohl musikalisch als auch textlich kann man der Combo wohl schwer etwas vormachen. Zudem war die Bandbreite der Stilrichtungen echt beeindruckend – für jeden Besucher dürfte hier etwas dabei gewesen sein. Wer also die Gelegenheit hat die Musiker demnächst live zu sehen, sollte diese unbedingt wahrnehmen. Hier gibt es unter anderem die kommenden Tourdaten. Wer die Möglichkeit nicht hat, dem sei das passende Live-Album ans Herz gelegt, das unter anderem über Amazon geordert werden kann.
Bildquellen: Tanzszene: Harald Bauer; Ensemblefoto: Carsten Dapper