Der Chemnitzer Sonnenberg ist nicht unbedingt für seine Gastfreundschaft bekannt. Schon oft stand das Gründerzeitviertel mit rassistischen Auseinandersetzungen in den Schlagzeilen. Doch zahlreiche Abwohnende und Initiativen wehren sich dagegen. Dass es auch anders geht, zeigte unlängst Familie Liebmann mit dem Palmstr.-Festival. Einige Eindrücke von einem bezaubernden Hoffest.
Einfach mal was machen
In zwei Jahren ist Chemnitz Kulturhauptstadt Europas. Die Bewerbungsmappe (Bidbook) hatte die Jury im Januar 2021 am meisten überzeugt und den Titel nach Sachsen gegeben. In den Folgemonaten sorgte die Vergabe in der Region für Aufwind. Doch innerhalb der letzten Monate zeigte sich immer deutlicher, dass die ambitionierten Pläne auch mit Anstrengungen verbunden sind. Geld ist da, aber oft fehlt das Personal. Innerhalb weniger Wochen bliesen die Verantwortlichen mit dem Kosmos Festival und den Filmnächten hochkarätige Veranstaltungen ab.
‚Das kann nicht so bleiben!‘, dachte sich Familie Liebmann und rief kurzerhand ein eigenes kleines Hoffest ins Leben. Das Palmstr.-Festival wurde in diesem Jahr erstmals über die Grenzen des Sonnenbergs hinweg beworben. Menschen jeglicher Couleur, von Studierenden über Familien bis hin zu Senioren, folgten der Einladung. Nicht nur aus der Nachbarschaft.
Entspannen im geschmückten Innenhof
Der kleine Garten im Hinterhof verwandelte sich an diesem Tag in ein Festivalgelände. Am Eingang gab es für jeden Gast eines der charakteristischen Armbändchen. Daneben konnte man sich direkt ein paar Euro in die Festivalwährung „Lieb“ tauschen. Für das grüne Papiergeld gab es ein reichhaltiges Angebot am Imbiss- und Getränkestand.
Besonders lecker war die vegetarische als auch vegane selbstgemachte Pizza. Im Steinofen gebacken, kam der vollmundige Geschmack vorzüglich zur Geltung. Zum Nachtisch wurde selbst gebackener Kuchen kredenzt. Die Preise waren mit 5 „Lieb“ für die Pizza und 1 „Lieb“ für das Stück Kuchen wohl nicht mehr als die Selbstkosten.
Mit einem kühlen Getränk in der Hand ließ es sich auf den schattigen Plätzen gut aus- und unterhalten. Es gab auch viel zu entdecken: Für die Kinder war die große Baumschaukel ein magischer Anziehungspunkt, während die Erwachsenen auf dem kleinen Kunsthandwerkermarkt stöbern konnten.
Mitreißende Musik auf der eigens gestalteten Bühne
Im Zentrum des Innenhofs stand eine große, selbstgebaute Bühne, die an die Anfangsjahre des Kosmonaut Festival am Stausee Rabenstein erinnerte. Kleine leuchtende Glühbirnen zeugten von viel Liebe zum Detail. Auf dem Podest brachten regionale Künstler:innen wie Big Buddha, Tremendous Aron, Tooth Paint und Baby of the Bunch ihre Musik zu Gehör und sorgten für ausgelassene Stimmung.
Es war schön zu sehen wie alle Generationen friedlich miteinander feierten und den lauen Sommerabend genossen. Und auch für die zahlreichen ehrenamtlich helfenden Hände war am späten Abend Zeit zum Entspannen und Genießen. Und vor allen Dingen Stolz zu sein auf ein derart gelungenes Festival, das einer professionellen Veranstaltung in nichts nach stand.