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Bewegende Begegnungen im Garagen-Campus.

Seit eini­gen Wochen läuft in Chem­nitz das Jahr der Kul­tur­haupt­stadt Euro­pas 2025. Es hält so einige span­nen­de Pro­jek­te bereit. Mit dem Gara­gen-Campus wurde im ehe­ma­li­gen Betriebs­hof der Chem­nit­zer Ver­kehrs AG im Stadt­teil Kappel unlängst eine der vier großen Inter­ven­ti­ons­flä­chen eröff­net. Er bietet Raum für Begeg­nun­gen, aber auch Krea­ti­vi­tät und indi­vi­du­el­le Ent­wick­lung. Ich war beim Eröff­nungs­abend mit der Kamera unter­wegs. Einige Eindrücke.

Eine Zeitreise durch die Geschichte des Chemnitzer Nahverkehrs

Pünkt­lich zur blauen Stunde tru­de­le ich an diesem warmen Früh­lings­abend an der Zwi­ckau­er Straße 164 mit dem Fahr­rad ein. Das opu­len­te Indus­trie­ge­län­de mit einer Aus­deh­nung von 30.000 Qua­drat­me­tern ist an diesem Tag bereits gut gefüllt. Men­schen schlen­dern zwi­schen den ein­zel­nen Gebäu­den umher und erkun­den die denk­mal­ge­schütz­ten Mauern. 145 Jahre ist es her, dass auf den ersten Schie­nen die Pfer­de­fuhr­wer­ke roll­ten. Hier war der Geburts­ort des öffent­li­chen Nah­ver­kehrs in Chem­nitz. In einem Wagen­schup­pen fanden damals 20 Fahr­zeu­ge und eine Kut­scher­stu­be Platz.

Mit der Elek­tri­fi­zie­rung im Jahr 1893 kam es zur ersten Umge­stal­tung des Betriebs­hofs. Dank einer zusätz­li­chen Wagen­hal­le mit vier Glei­sen hatten fortan 24 Stra­ßen­bahn­wa­gen Platz. Doch schon 15 Jahre später musste eine wei­te­re, zwei­schif­fi­ge Wagen­hal­le mit einer Abstell­ka­pa­zi­tät von 64 Fahr­zeu­gen sowie ein Direk­ti­ons- als auch meh­re­re Gemein­schafts­ge­bäu­de errich­tet werden. In den 1980er Jahren kün­dig­te sich mit der neuen Gene­ra­ti­on der Chem­nit­zer Stra­ßen­bahn, der Vario­bahn, das Ende der Schmal­spur­flot­te an. Damit war auch das Ende des Betriebs­hofs besie­gelt. Teile des Gelän­des wurden ver­mie­tet, ver­kauft, teil­wei­se zurück gebaut oder blie­ben ein­fach ungenutzt.

Bis jetzt. Denn mit der Ernen­nung der Stadt Chem­nitz zur Kul­tur­haupt­stadt Euro­pas 2025 begann auch der Umbau des Gelän­des zum soge­nann­ten Gara­gen-Campus. Das Gelän­de ist eines von vier Inter­ven­ti­ons­flä­chen, die ver­bor­ge­ne Orte wieder sicht­bar machen, Raum für Krea­ti­vi­tät schaf­fen, Macher:innen för­dern und zur euro­päi­schen Iden­ti­tät bei­tra­gen. Und an diesem Abend lässt sich dieser Charme im Rahmen eines großen Eröff­nungs­fes­tes erleben.

Blaue Stunde im Garagen-Campus
Blaue Stunde im Garagen-Campus.

Große Räume für farbenfrohe Diskurse im Garagen-Campus

Neben Tango-Tanz­dar­bie­tun­gen ist eine Podi­ums­dis­kus­si­on zur Zukunft der Region Chem­nitz ein Magnet für die viel­fäl­ti­gen Besucher:innen. Sowohl Betei­lig­te der Kul­tur­haupt­stadt als auch Stadtführer:innen und Bürgermeister:innen umlie­gen­der Orte kon­fe­rie­ren über die posi­ti­ve Stadt­ent­wick­lung, den zuneh­men­den Tou­ris­mus und den pit­to­res­ken Purple Path. So setzt letz­te­rer die „Pro­vinz“ posi­tiv in Szene, wenn­gleich er bei Ein­woh­nen­den nicht unum­strit­ten ist. Auch das große, mul­ti­me­dia­le Pro­jekt #3000Garagen ist Thema. Rings­um an den Wänden geben Texte und Foto­gra­fien einen ersten Ein­blick in die Kampagne.

Ein Erleb­nis für alle Sinne gibt es einen Raum weiter in der neu gestal­te­ten Krea­tiv­werk­statt. Der regio­na­le Künst­ler Jörg Sonn­tag, bekannt unter dem Künst­ler­na­men Jo Siamon Salich ver­wan­delt die alten Mauern in eine inter­ak­ti­ve Pro­jek­ti­on. Eine Hand­voll Laser­pro­jek­to­ren kre­ieren unter dem Titel „FLUID_M“ eine abs­trak­te Welt. Im Zusam­men­spiel mit atmo­sphä­ri­schen Klän­gen ent­steht eine fes­seln­de Stim­mung zwi­schen Ent­span­nung und Zer­ris­sen­heit. Mit­ten­drin in Lie­ge­stüh­len sit­zend die Chemnitzer:innen und ihre Gäste.

Musikalische Untermalung mit regionalen Bands

Mas­sen­taug­li­cher geht es wenig später auf der klei­nen Bühne im Haupt­ge­bäu­de zu. Dort eröff­net die noch junge Indie-Pop-Band „Shoot the Cherry“ den musi­ka­li­schen Abend. Kraft­vol­le Drums und melan­cho­li­schen Gitar­ren ver­men­gen sich mit wei­chen Bass­li­nes und har­mo­ni­schen Vocals. Doch so rich­tig mag an diesem Tag der Funke zum Publi­kum nicht über­sprin­gen. Das mag auch am Lam­pen­fie­ber der Musiker:innen um Front­sän­ger und Gitar­rist Martin Andre­as Kurt Schett­ler liegen. Ich merke, dass der Band die Rou­ti­ne fehlt. Wenn­gleich sie hand­werk­lich gute Arbeit ablie­fert. Etwas ver­krampft geht der ein­stün­di­ge Gig zu Ende.

In der Pause erkun­de ich mit vielen ande­ren weiter das Gelän­de. Neben alten Stra­ßen­bah­nen dient eine aktu­el­le Vario­bahn als DJ-Her­ber­ge. Die Bata­clan DJs prä­sen­tie­ren zwi­schen Hal­te­knopf und Ticket­au­to­mat flot­ten Soul und Funk. Eine will­kom­me­ne Beglei­tung beim Ver­spei­sen von Brat­wurst, Bulet­te und Bier. Kurz danach betritt das deutsch-bri­ti­sche Duo „Me&T“ die Bühne, das sich in Chem­nitz als Elek­tro-Pop-Band bereits einen Namen gemacht hat. Tamara und Tris­tan feuern gemein­sam mit drei befreun­de­ten Musi­kern ein krea­ti­ves Feu­er­werk ab. Auch wenn klei­ne­re musi­ka­li­sche Pannen nicht ausbleiben.

Schade, dass indes­sen das Publi­kum nur mit halbem Herz dabei ist. Denn die sich unter­hal­ten­den Men­schen inter­pre­tie­ren den Song­ti­tel „Say some­thing“ aus der aktu­el­len EP „Fol­lo­wing Peace“ irgend­wie falsch. Umso sym­pa­thi­scher, dass die fünf auf der Bühne ihre Per­for­mance im Stile von Chvrches bis zum Ende durch­zie­hen und auch etli­che Besucher:innen – inklu­si­ve mir – in den Bann ziehen. Die Stunde ver­geht wie im Flug. Und mitt­ler­wei­le ist es Nacht gewor­den auf dem Gelän­de des Gara­gen-Campus. Nach viel­fäl­ti­gen Ein­drü­cken und einer for­dern­den Arbeits­wo­che gehe ich – wie die zahl­rei­chen Chemnitzer:innen auch – beseelt in das Wochenende.


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