Und Abflug! Zum mittlerweile siebten Mal fand am ersten Juli-Wochenende auf dem Gelände des Stausees das Kosmonaut-Festival statt. Nach einer Pause in 2018 war ich dieses Mal wieder am Start – sogar auch als Camper. Das musikalische Wochenende wird als ereignisreiches Open-Air-Fest im Gedächtnis bleiben. Doch nicht alle Neuerungen und Entwicklungen sind positiv. Einige Eindrücke.
Musikalisch ist sich das schmucke kleine Kosmonaut-Festival treu geblieben. Die ganz großen Headliner fehlen; dafür überzeugt das Line-Up mit charmanten Bands, die sich in die Herzen der Besucher singen wollen. Das machte sich zuallererst am Freitag bei der österreichischen Band Granada bemerkbar. Mit trendigem, österreichischen Pop eröffneten sie auf der Hauptbühne das Wochenende. Die Songs aus dem recht frischen Album “Ge bitte” sorgten für die ersten Tanzszenen.
Ein bisschen ruppiger ging es anschließend mit OG Keemo weiter. Der rappende Newcomer aus Mannheim spittete die ein oder andere Line, die zu dieser frühen Uhrzeit eher abschreckte als anzog. Dementsprechend kehrten auch etliche Zuhörer um und besuchten alternative Bühnen. So unter anderem die neu eingerichtete Spotify Podcast Bühne, auf der sich bekannte Stimmen der “Kanackischen Welle” oder von “Rice and Shine” finden ließen. Eine coole Idee entspannt bei der Aufzeichnung eines Live-Podcast zu lauschen, allerdings hatten die Planer die Rechnung ohne die Musik-Bühnen gemacht: Das Hören entwickelte sich zur Konzentrationsübung, teilweise übertönte die Musik spannende Passagen.
Nura unterhält fragwürdig
Geballte Frauenpower gab es anschließend bei KeKe auf der Atomino- und Nura auf der Hauptbühne. Während Keke recht neu im Geschäft ist und mit ihren Debütsongs überzeugte, zeigte Nura ihre Klasse als Rapperin. Vormals gemeinsam mit Juju als SXTN unterwegs, unterhält sie nun solo die Mengen. Das allerdings nicht ganz unumstritten: In “Sativa” stiftet sie zum Kiffen an. Auf einem Festival, auf dem auch Minderjährige ihre Idole umjubeln. Schwierig. Doch das passt auch zu einem Event, auf dem Promoter mit Zigaretten-Bauchläden über das Gelände schlendern und ihre Ware verkaufen. Wann ist rauchen eigentlich wieder in Mode gekommen?
Abgedreht ging es anschließend bei Die Nerven weiter. Die Stuttgarter Punkband überzeugte durch gesellschaftskritische Texte mit Tiefgang, bot aber auch zugleich eine ausgefallene Show. Daran knüpften die Leoniden auf der Hauptbühne direkt an. Die Publikumslieblinge gaben Songs aus ihrem aktuellen Album “Again” zum besten. Auch Klassiker wie “Nevermind” aus ihrem in Eigenregie produzierten Erstlingswerk durften natürlich nicht fehlen. Das Publikum feierte. Unter anderem aufgrund der aufgefallenen, extrovertierten Show des Bassisten Lennart Eicke. Auch Gastauftritte von Blond und Nura trugen zur Stimmung bei.
Geheimer Headliner überrascht
Rapper Tua überzeugte anschließend auf der Atomino-Bühne mit niveauvollen Texten ohne jegliche Kraftausdrücke. Das Mitglied der Formation Die Orsons gefiel mit seiner Stimme und fantastischem Taktgefühl. Die charakteristischen Synthesizerklänge sorgten nicht nur für Kopfnicken. Das große Finale am Festivalfreitag bildeten die Musiker um Bosse sowie der geheim gehaltene Headliner Scooter. Beide konnten unterschiedlicher nicht sein und trafen trotzdem den Nerv der anwesenden Fans. Während Axel Bosse mit entspannten, instrumentalen Klängen und tiefgehenden Texten die Besucher in den Bann zog, brachte HP Baxxter die Partystimmung auf das Festivalgelände. Wummernde Drums und treibende Basslines ließen die Körper ausgelassen tanzen. Die Überraschung war gelungen!
Impressionen vom Freitag:
Nach einer kurzen Nacht und nur knapp drei Stunden Schlaf stand auch schon der Festival-Samstag auf dem Plan. Sonnenschein und stahlblauer Himmel lockte die zahlreichen Camping-Gäste bereits 13 Uhr auf das Gelände zum Schwimmen und Planschen. Lange nicht mehr habe ich so viele Menschen im Stausee Rabenstein gelassen toben sehen.
Hungrige Bäuche konnten an den zahlreichen Essensständen mit allerhand Speisen gefüllt werden. Ob einfache Bratwurst oder veganer Döner und Burritos – für jeden Geschmack war etwas dabei. Die Qualität stimmte, kritisiert werden kann allerdings der lange Anfahrtsweg der Verkäufer. Ein Großteil der Wagen wurden aus der Hauptstadt Berlin herangekarrt – wohl aufgrund von Rahmenverträgen des Veranstalters “Goodlive”. Ähnlich sah es mit dem Getränkeangebot aus: Wer Bier wollte, musste zur Marke “Warsteiner” greifen, Cola gab es exklusiv von Fritz. Ich persönlich hätte mir etwas Regionalität gewünscht. Das “Marx-Städter”-Bier wäre bei den Besuchen sicher der Renner gewesen.
Amilli und Cari Cari sind meine Festivalentdeckungen
Punkt 15 Uhr betrat mit Pish von der norwegischen Band Kakkmaddafakka der erste Künstler die Hauptbühne. Mit sanften Elektroklängen und entspannter Stimme sorgte er für einen angenehmen Start in den Nachmittag. Nicht mehr und nicht weniger – Partystimmung blieb aus. Ähnlich sah es bei Amilli aus, wenngleich sie für mich eine der Neuentdeckungen des diesjährigen Kosmonaut-Festivals darstellte. Genau wie die österreichische Band Cari Cari, die mit einer Art Didgeridoo für ausgefallene Klänge sorgte. Die Combo überzeugte durch atmosphärische, aber auch beschwingte Melodien.
Zwischendurch gab Kelvyn Colt auf der Hauptbühne seine Rap-Lyrics zum Besten. Der geborene Wiesbadener schwimmt gegen den aktuellen Hip-Hop-Strom. Er erinnert an die früheren Größen Tupac und Eminem – sehr erfrischend in einer Welt von autotune-lastigem Cloudrap. Ebenso erfrischenden Rock-Pop gab es anschließend von Giant Rooks und Fil Bo Riva. Während erstere auf der Mainstage zweifelsohne zu den Publikumslieblingen zählten und für breite Jubelstürme sorgten, versuchte die Band um den italienischen Frontmann Filippo Bonamici auf der kleinen Atomino-Bühne die Fans für sich zu begeistern. Das gelang aufgrund einer unangenehmen Gesamtstimmung nur so semi. Da konnten auch Gassenhauer wie Go Rilla oder Killer Queen nichts ändern.
Parcels und Von Wegen Lisbeth sind Publikumsliebling
Nicht in Paketen, sondern ganz klassisch per Personenflugzeug kamen die australischen Künstler von Parcels nach Chemnitz zum Kosmonaut Festival. Bereits 2017 hinterließ die Band einen positiven Eindruck. Mit funkigem West-West-Coast-Pop sorgten sie für die nötigen Sommerklänge. Für viele das Highlight waren die Jungs von Von wegen Lisbeth. Noch am Nachmittag gegen die Gastgeber von Kraftklub im Flunky Ball angetreten, lieferten sie eine professionelle Show ab. Zu Gehör gab es neben Songs aus dem aktuellen Album “sweetlilly93@hotmail.com” auch alte Songs wie “Wenn du tanzt”. Selbst in der letzten Reihe wurden Tanzkreise, sogenannte Circle Pits veranstaltet.
Der große Headliner am Samstag waren die nicht ganz unumstrittenen Rapper von K.I.Z. Die Berliner Nico Seyfrid, Maxim Drüner und Tarek Ebéné polarisieren seit jeher mit ihren frauenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Texten und ihren Bühnenbildern. In diesem Jahr überraschten sie mit einem überdimensionalen Panzer, an dessen Kopf Drunken-Masters-DJ Johannes Gehring die Beats mischte. Voller Jubel waren die anwesenden Fans trotz aller Kritik. Kunst darf ja doch alles. Als großen Abschluss durften die DJ-Kollegen von Drunken Masters auf der kleinen Kosmo-Wash-Bühne eine ausschweifende After-Show-Party feiern. Gegen 3.30 Uhr landeten die Kosmonauten dann mehr oder weniger erschöpft in ihren Zelten – und ich glücklicherweise im weichen, ruhigen Bett.
Impressionen vom Samstag: