Nach ereignisreichen ersten Tagen unserer Radreise entlang des Moselradwegs schauten wir voller Vorfreude auf die zweite Hälfte der Tour. Die Wetterprognose ließ allerdings einige Sorgenfalten zurück. Erreichen wir trocken unser Ziel Koblenz oder müssen wir die Radfahrt abbrechen? Unsere Erlebnisse des Abschnitts zwischen Bernkastel-Kues und Deutschem Eck.
Schönwetterradeln zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach
Bei strahlend blauem Himmel beginnt, wie auch an den Tagen zuvor, unser vierten Tourtag. Nach einem kleinen Frühstück in der Ferienwohnung schwingen wir uns auf den Sattel und radeln rechts der Mosel weiter gen Osten. Der frische Morgenwind sorgt für ein entspanntes Fahrgefühl. Indessen ist der Radweg gut gefüllt. Während wir in den ersten Tagen nahezu allein die Kilometer absolvieren konnten, bewegen sich nun deutlich mehr Radfahrer:innen auf der Strecke. Der Großteil von ihnen ist mit dem E‑Bike unterwegs. Wir werden sogar auf unsere „Bio-Bikes“ angesprochen und bewundert. Dabei ist das flache Terrain, hin und wieder mit imposanten Betonbrücken gespickt, wie gemacht für entspanntes dahin radeln.
90 Minuten und 24 Kilometer später erreichen wir unser erstes Zwischenziel, das altehrwürdige Traben-Trarbach. Nach einer kurzen Recherche steuern wir den kleinen Bahnhof an. Dort lässt sich zwar keine große Fahrradgarage wie in Trier finden. Allerdings ermöglichen ein paar kleine Boxen das sichere Zwischenparken. Sogar kostenfrei. Mit knurrendem Magen machen wir uns auf die Suche nach Mittagessen. Nach all den gutbürgerlichen deutschen Mahlzeiten fällt die Wahl auf das asiatische Restaurant ému. Im Lokal in der Bahnstraße erhalten wir als Vorspeise leckere Takoyaki und eine würzige Miso Ramen als Hauptspeise.
Mit neuer Energie machen wir uns auf in den historischen Ortskern rechts der Mosel. Hier wechseln sich barocke und klassizistische Architektur ab. Immer mit dabei im Stadtbild: Die grünen Weinranken, die sich in den Gassen zwischen den Backsteinhäusern hin und her winden. Eine überaus romantische Szenerie. Sehenswert ist auch die kleine Kirche St. Nikolaus in der Grabenstraße, die mit ihrer rustikalen Vertäfelung verzaubert.
Ins beschauliche Neef mit einer steilen Abkürzung
Langsam aber sicher wird es Zeit den Weg zur nächsten Unterkunft anzutreten. Links der Mosel mündet der Radweg kurz nach dem Yachthafen in eine breite Straße. Glücklicherweise zählt sie zu den weniger befahrenen. Einzig der Belag könnte eine Frischzellenkur vertragen. Naja, so kann mein Gravelbike seine Offroad-Qualitäten endlich unter Beweis stellen. Bereits nach wenigen Kilometern ist damit aber schon wieder Schluss und der Radweg zweigt ab.
Im weiteren Verlauf führt die Strecke entlang des Bahndamms durch das Moseltal. Kurz vor Pünderich, als die Gleise im Berg verschwinden, nehmen wir die Möglichkeit wahr über denselben eine lange Schleife abzukürzen. Im kleinsten Gang geht es schnaufend die Wirtschaftsstraße des Weinhangs hinauf. Dafür entschädigt das weite Panorama in die Ebene des Flusses um Briedel. Oben angekommen begrüßt uns die Marienburg, ein ehemaliges Kloster, das 1957 als Jugendbildungszentrum der katholischen Kirche wiedereröffnet wurde. Heute beherbergt es ein kleines Café, das zum Wochenende und feiertags Gäste aus Nah und Fern begrüßt.
Über eine schmale Doppelstockbrücke, über dessen zweite Etage die Bahn fährt, führt der Weg nach Bullay. Dort startet der wohl schlechteste Abschnitt des Mosel-Radwegs: Direkt neben der Bahnstrecke nehmen wir eine buckelige Steinpiste unter die bepackten Räder. Fast schon wehmütige blicken wir talwärts auf die säuberliche Straße. Kurz vor dem Tagesziel führt der offizielle Weg wieder hinunter auf den warmen Asphalt. Nach rund 20 Kilometern erreichen wir mit Neef ein reizvolles, weniger von Tourist:innen überlaufenes Dorf der steilen Calmont Region.
Hier lohnt sich der Stopp an einem der Weinautomaten besonders. Denn nur wenige Meter entfernt befinden sich die steilsten und damit qualitativ besten Weinhänge Europas. Der karge Schieferboden sorgt für eine ausgeprägte Mineralität des edlen Getränks. Im einzigen Restaurant des Dorfes Zur blauen Traube genießen wir ein deftiges, aber auch irgendwie einzigartiges Winzerschnitzel mit Pilzsoße und roten Trauben. Der Weg in die Unterkunft ist kurz. Im charmanten Gästehaus Mona Lisa legen wir uns alsbald zur Ruhe.
Frühsport zur Bremmer Moselschleife und im Eiltempo nach Cochem
Der nächste Morgen beginnt mit einem durchaus privaten Frühstück auf der Veranda, das die niederländische Hausbesitzerin Marion Schut allen Gästen ausgezeichnet zubereitet. Frisch gestärkt startet der fünfte Tag unserer kleinen Moselreise. Da wir uns unweit der berühmten Bremmer Moselschleife befinden, entscheide ich mich für einen kurzen Abstecher zum Aussichtspunkt oberhalb des Dorfes. Während die ersten Meter flach verlaufen, wartet am Ortsausgang ein steiler Aufstieg. Keuchend fahre ich aufwärts. Ein mäßig gepflegter Schotterweg und die maximale Steigung von 16 Prozent zwingen mich dann aber doch zum Schieben des Fahrrads. Mit jedem Höhenmeter hinterfrage ich intensiver meine Entscheidung. Doch als ich die menschenleere Terrasse erreiche, sind alle Zweifel beseitigt.
Minutenlang genieße ich den Ausblick auf die mächtige Mosel und die steilsten Weinhänge Europas. Wie ein grüner Canyon liegt mir die Landschaft zwischen Eifel und Hunsrück zu Füßen. Ein toller Moment, der alsbald mit einer rasanten Abfahrt endet. Links des Flusses führt der Weg weiter über die Orte Ediger-Eller und Nehren bis bei Senheim (Mosel) ein Uferwechsel ansteht. Im Eiltempo passieren wir Mesenich, Briedern und allerlei Campingplätze bis wir in eine weitere Touristenhochburg gelangen: Beilstein. Blöd nur, dass zeitgleich mit uns ein Ausflugsschiff die Anlagestelle erreicht. Die Blaskapellen-Romantik an der Moselstraße endet jäh. Doch umso besser: Damit hält uns wenig hier und wir erreichen das nächste Zwischenziel Cochem mit ihrer über alles thronenden Reichsburg schneller.
Während in den letzten Tagen das Fahrrad einen sicheren Standort fand, müssen wir in Cochem auf einen einfachen Fahrradständer im Innenhof der Kreisverwaltung zurückgreifen. Von diesem zentralen Ort neben dem Busbahnhof erreichen wir jedoch schnell die sehenswerte Altstadt. Beim Blick durch die Berngasse grüßt direkt der prägnante Zwiebelturm der Kirche St. Martin. Nach nur wenigen Schritten erreichen wir den verträumten Marktplatz mit dem plätschernden Martinsbrunnen. Für den Mittags-Snack empfiehlt sich ein lauschiges Plätzchen im Schatten des Bistro am Brunnen. An diesem Samstag lässt sich das touristische Treiben besonders gut beobachten, erobern doch auch Tagesgäste die engen Gassen.
Mit gefüllten Bäuchen machen wir uns auf den Weg hinauf zur majestätischen Rochsburg. Umringt von geometrisch exakt angelegten Rebzeilen gibt sie nicht nur ein wunderschönes Bild ab. Von oben bietet sich auch ein spektakulärer Ausblick auf die Stadt und das Umland. Der Rückweg führt vorbei an der Marienkapelle und der Pestkapelle St. Rochus bis zur Gasse mit dem treffenden Namen „Burgfrieden“. Gerade als wir genug vom Bummeln durch die kleinen Geschäfte haben, stoßen wir auf das Café Flair an der Moselpromenade. Erst als wir die imposanten Tortenstücke bestellt haben, lesen wir von der schlechten Google-Bewertung. Beim Blick in die Karte sehen wir auch warum: Die Preise sind unverschämt hoch. Deshalb genehmigen wir uns nur einen Cappuccino, den wir uns teilen. Dafür schmeckt die fruchtige Torte mit Schokolade umso besser.
Zwischen Straße und Mosel nach Treis-Karden
Voller Energie nehmen wir die letzten Kilometer zu unserem Tagesziel unter die Räder. Der Streckenabschnitt nach Treis-Karden ist einer der stressigeren Sorte. Der Radweg führt genau an der stark befahrenen Bundesstraße 49 entlang. Lediglich ein schmaler, grün gefärbter Streifen trennt die Zwei- von den Vierrädern. Dafür sind wir der rechtsseitig langsam dahin fließenden Mosel näher als auf keinem anderen Abschnitt. Eine spannende Diskrepanz zwischen Hektik und Ruhe. Schon nach einer halben Stunde erreichen wir mit dem Schloss-Hotel Petry unweit des Kardener Bahnhofs das Ende der 11 Kilometer langen Strecke. Vom lichtdurchfluteten Eckzimmer des noblen 4‑Sterne-Hotels blicken wir in das schmale Moseltal.
Den Abend nutzen wir für einen Spaziergang durch den historischen Ortskern Treis rechts der Mosel. Für einen Samstagabend ist erstaunlich wenig los. Nur wenige Tourist:innen schlendern, vorbei am altertümlichen Eichamt, durch die schmalen Gassen. Kurzerhand entscheiden wir uns für den Besuch des Weingut Otto Knaup. Uns erwartet in familiärer Atmosphäre ein reichhaltiges Grillbuffet. Und eine Menge Wein. Doch an diesem Abend entscheiden wir uns lediglich für eine erfrischende Weinschorle – traditionell im 0,5 Liter Glas. Zu stimmungsvoller Live-Musik lassen wir den Tag glückselig Revue passieren und planen die nunmehr letzte Etappe.
Im Wettrennen gegen den Regen nach Koblenz
Als der sechste Tag beginnt, blicken wir mit Sorgen gen Himmel und in den Wetterbericht. Das erste Mal ist in den Vormittagsstunden Regen vorhergesagt. Doch wir lassen uns nicht hetzen und genießen das mannigfaltige Frühstücksbuffet mit Lachs, Croissants und anderen Köstlichkeiten. Auch aus Gesundheitsgründen nehme ich die letzten 37 Kilometer allein unter die Räder. Kaum sitze ich im Sattel spüre ich die ersten Tropfen im Gesicht. Sollte die Tour doch in der Bahn enden? Ich hadere. Doch nach wenigen Hundert Metern ist der Nieselregen vorüber. Ich passiere Müden (Mosel) und Moselkern, von da wir eigentlich zur Burg Eltz aufsteigen wollten. Stattdessen heißt es das Laktat in die Beine zu treiben und dem kühlen Nass davon zu fahren.
Der glatte Asphalt mit seinem geringen Rollwiderstand macht es leicht Geschwindigkeit aufzubauen. Doch es dauert nur wenige Minuten bis mich die Regenfront endgültig erreicht. Die Schönheit der Orte Löf, Kobern-Gondorf und Winningen kann ich nur noch bedingt genießen. Ein Unfall mit zwei E‑Bike-Fahrenden auf der regennassen Fahrbahn hält mir noch einmal vor Augen, welche Gefahren die Bedingungen bergen. Ohne Zwischenfälle und Pannen erreiche ich das Ortseingangsschild von Koblenz. Es scheint als würde der Himmel weinen, dass diese grandiose Fahrradtour langsam aber sicher ihr Ende findet.

Pünktlich am Deutschen Eck, dem Zusammenfluss von Mosel und Rhein, hört der Regenschauer auf. Gemeinsam erklimmen wir das imposante Kaiser-Wilhelm-Denkmal. In seiner ursprünglichen Form wurde es 1897 nach Plänen des Architekten Bruno Schmitz errichtet, der auch für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal verantwortlich war. Eine Granate zerstörte die Figur im März 1945. Erst nach dem Mauerfall 1990 wurde das Denkmal rekonstruiert und 1993 feierlich eröffnet. Ein besonders schöner Blick ergibt sich aus einer Kabine der Seilbahn, die hinauf zur Festung Ehrenbreitstein führt. Oben angekommen lohnt ein Abstecher zum Koblenzer Kanten, einer dreieckigen Aussichtsplattform. Der perfekte Ort, um das geschäftige Treiben auf Mosel und Rhein zu verfolgen.
Ein trüber Tag in der Altstadt Koblenz
Wieder unten angekommen, darf ein Spaziergang durch die mittelalterliche Altstadt nicht fehlen. Unweit des Deutschen Eck befindet sich mit der romanischen Basilika St. Kastor die älteste Kirche von Koblenz. Sie wurde 836 nach Christus geweiht, war aber auch ein von Kaisern und Königen genutzter Ort, um Streitigkeiten beizulegen. Auf dem unweit entfernen Josef-Görres-Platz ragt die 10,6 Meter hohe Historiensäule dem Himmel empor. Sie thematisiert die lange Geschichte der Stadt: Von der römischen Kastellsiedlung über die wirtschaftliche Blütezeit zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert sowie der preußischen Herrschaft im 19. und 20. Jahrhundert bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg.
Deutlich schelmischer geht es, umringt von den Renaissance- und Barockbauten des Jesuitenensembles, im Rathaushof zu. Dort spuckt nämlich der Schängel im Minutentakt vom namensgebenden Brunnen herab. Er symbolisiert den Koblenzer Lausbub – einem kleinen Kerl, der für Witz, Schlagfertigkeit und rheinische Lebensart steht. Durch die verwinkelten Ladengassen lässt sich vorzüglich Bummeln und die Zeit vertreiben. Viel zu schnell bricht der Abend herein. Am Ufer der Mosel lässt es sich ein letztes Mal vorzüglich speisen. Im mit 533 Jahren ältesten Gasthaus der Stadt befindet sich heute mit Project Vegan ein Restaurant mit asiatischer Fusion-Küche. Begeistert beißen wir in die täuschend echt schmecken Fleischersatzprodukte. Mit solch einer kulinarischen Überraschung kann der Urlaub also auch enden.
Glückselig fallen wir spätabends in die Betten des Super 8 by Wyndham direkt in der Innenstadt. Von unserem Zimmer in der 9. Etage genießen wir einen besonderen Ausblick auf die Stadt. Ein letztes Mal heißt es das Erlebte verarbeiten und erholen, bis es am nächsten Tag wieder nach Hause geht. Reicher an Erfahrungen, Eindrücken und dem Wissen, dass ein entspannter Urlaub auch mit dem Fahrrad gelingen kann.
Fazit unserer Mosel-Radreise: Raus aus der Komfortzone, rein ins Abenteuer
Urlaubsreisen waren für mich bisher mit einem bestimmten Komfort verbunden. Entweder mit dem Auto, dem Zug oder dem Flugzeug ging es an einen bestimmten Ort, von dem Tagesausflüge angetreten wurden. Mit der Reise auf dem Mosel-Radweg stürzte ich mich stürzten wir uns in ein Konglomerat an Unsicherheiten. Doch genau diese Spontaneität und das Ungewisse mit einem übergeordnetem Ziel, haben für ein positives Erlebnis gesorgt. Diese entschleunigte Art zu Reisen lässt uns Landschaft, Wege und Natur mit allen Sinnen erfahren. Und es zeigt einmal mehr, dass es keine großen Entfernungen braucht, um den Horizont zu erweitern und eine neue Sicht auf den Alltag, ja sogar das Leben zu bekommen.
Ich bin ebenso überrascht wie reibungslos alles funktioniert hat: Ausgenommen kleinerer Bahnverspätungen, haben wir ohne Druck, Defekte oder Diebstähle das Ziel erreicht. Deshalb macht dieser abenteuerliche Trip Lust auf mehr. Es wird sicher nicht unsere letzte Fahrradreise gewesen sein. Seid also gespannt, welche Route wir als nächstes mit unseren Drahteseln in Angriff nehmen werden.
Welche Route sollten wir unbedingt mit Rad abfahren?
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