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Chemnitz 2025: Wenn Wissenschaft und Kunst verschmelzen.

Fak­ten­ba­sier­te For­schung ist oft genau das Gegen­teil von krea­ti­ver Kunst. Dass es auch anders geht, haben einige For­schungs­zen­tren der TU Chem­nitz und eine Viel­zahl Künstler:innen aus Leip­zig nun im Rahmen des Pro­gramms der Kul­tur­haupt­stadt Euro­pas 2025 bewie­sen. Sie kre­ierten in Work­shops wun­der­schö­ne Werke, die begeis­tern und zum Nach­den­ken anre­gen. Ein Über­blick über die tech­no­lo­gisch-künst­le­ri­schen Ergeb­nis­se im Funken-Space in der Rosenbergstraße.

MAIN: Zwischen Licht- und Schallwellen

Wohl keine Natur­wis­sen­schaft ist in der Kunst so rele­vant wie die Physik. Schließ­lich sehen und hören wir erst durch phy­si­ka­li­sche Pro­zes­se. Am For­schungs­zen­trum MAIN der TU Chem­nitz fand des­halb der Work­shop “Von Nano zu Kunst: Physik als expe­ri­men­tel­les Mate­ri­al” unter der Lei­tung der Künst­le­rin Sanja Star statt. In der Ein­rich­tung, deren Wissenschaftler:innen Mate­ria­li­en, Archi­tek­tu­ren und die Inte­gra­ti­on von Nano­mem­bra­nen (kurz MAIN) unter­su­chen, ent­stan­den unter dem Titel „From Nano To Art“ einige tech­nisch inspi­rier­te, audio­vi­su­el­le Kunstwerke.

Eines davon stammt von Chris­to­pher Schrö­der. Er wan­delt in seinem „Licht­bild“ mit­hil­fe einer Pola­ri­sa­ti­ons­bril­le eine mono­chro­me Ani­ma­ti­on in ein buntes Farb­spek­ta­kel. Kopf­be­we­gun­gen ver­stär­ken den Effekt zusätz­lich. Ein unwirk­lich anmu­ten­des Erleb­nis. Neben­an lädt Vanes­sa Rucks mit ihrem Werk „Layers Of Con­nec­tion“ zum Nach­den­ken an. Das „unvoll­stän­di­ge“ Tri­pty­chon erkun­det die feinen Ver­bin­dun­gen zwi­schen Kunst, Wis­sen­schaft und Mensch­lich­keit. Ultra­vio­let­tes Licht lässt eine Figur ent­ste­hen – ähn­lich der mikro­sko­pi­schen Struk­tur auf einem Wafer. Gol­de­nes Licht sinkt herab wie leuch­ten­der Staub, getra­gen von gela­de­nen Par­ti­keln. Die Hand ent­flieht der Labor­um­ge­bung. Dem streckt sich die Hand eines alten Mannes ent­ge­gen – ange­lehnt an das Zusam­men­spiel von Anode und Katho­de im Inne­ren einer Bat­te­rie. Ein Kind blickt erwar­tungs­voll nach vorn. Offen für das, was noch ent­ste­hen mag.

Ähn­lich unvor­her­seh­bar ist die Ent­wick­lung des Kunst­werks „Fol­ding Field“ von Sanja Star. Das Pro­jekt basiert auf For­schun­gen von Nano­mem­bra­nen, die den auto­no­men „Smartlet“-Mikrorobotern zugrun­de liegen. Dabei han­delt es sich um ultra­dün­ne, mehr­schich­ti­ge Sys­te­me, die sich zu drei­di­men­sio­na­len Mikro­struk­tu­ren ent­fal­ten. Schich­ten aus trans­lu­zen­tem Gewebe, durch­setzt mit reak­ti­vem Licht, reagie­ren auf Bewe­gung und Nähe. Elek­tro­ma­gne­ti­sche Klänge erwei­tern die Arbeit akus­tisch. Um Schall­wel­len dreht sich auch die Instal­la­ti­on „Untit­led“ von Tim Abels. In vier Petri­scha­len wach­sen Hefe­kul­tu­ren heran. Die dabei ent­ste­hen­de Was­ser­trü­bung wird kon­ti­nu­ier­lich per Sen­so­ren über­wacht. Schwin­gungs­ge­ber wan­deln die so gewon­ne­nen Signa­le in Schall­fre­quen­zen um, denen zwei der Kul­tu­ren aus­ge­setzt werden.

MeTech: Wie Menschen mit Technik interagieren

Unter der Über­schrift „Eliza’s Ghost – Sozia­list als Simu­la­ti­on“ fanden Work­shops unter der Lei­tung von Medi­en­künst­ler Lenn Blasch­ke am For­schungs­zen­trum für Mensch und Tech­nik (kurz MeTech) statt. Die Teil­neh­men­den unter­such­ten wie Robo­ter und KI-Sys­te­me Spra­che, Bewe­gung und sen­so­ri­sche Schnitt­stel­len nutzen, um die Illu­si­on von Bewusst­sein und Empa­thie zu erzeu­gen. Somit ver­band der Work­shop künst­le­ri­sche Praxis und kri­ti­sche Theo­rie zu einem gemein­sa­men For­schungs­raum über die Gren­zen von Sozia­list in Zeit­al­ter der Simulation.

Die Video­ar­beit „Not A Match“ von Rainer Winter erzählt von einem miss­glück­ten Date. Sie spielt in einer Zeit, in der Maschi­nen zu einer selbst­ver­ständ­li­chen Option in der Suche nach Nähe und Gesell­schaft gewor­den ist. Wäh­rend sie immer mensch­li­cher erschei­nen, ver­hal­ten sich Men­schen zuneh­mend wie Maschi­nen. Damit gewinnt die Kom­mu­ni­ka­ti­on der eige­nen Wün­sche und der Respekt der indi­vi­du­el­len Gren­zen an Bedeutung.

Das wohl ein­drucks­volls­te Expo­nat stammt von Lenn Blasch­ke und Sascha Kaden. Unter dem Titel „Untit­led Brain“ scrollt ein Robo­ter­arm kon­ti­nu­ier­li­che durch KI-gene­rier­te Videos. Halb Traum, halb digi­ta­les Frag­ment, fla­ckern sicht­bar gewor­de­ne syn­the­ti­sche Emo­tio­nen. Über allem thront ein in Harz gegos­se­nes Gehirn. Vir­tu­ell lässt sich mit­hil­fe einer VR-Brille in ihm spa­zie­ren, wäh­rend eine am Arm mon­tier­te Kamera die Inhal­te digi­tal spie­gelt. Die Instal­la­ti­on ver­wan­delt das phi­lo­so­phi­sche „Brain-in-a-Vat“ in eine erfahr­ba­re Ana­to­mie des digi­ta­len Geis­tes – ein Orga­nis­mus, der durch seine eigene Simu­la­ti­on träumt.

MERGE: Aus Mehlwurmkot zum neuen Material

Beson­ders gespannt war ich auf die Ergeb­nis­se des Work­shops „Common Matter“ von Yana Zschied­rich am MERGE-For­schungs­zen­trum, fanden die Arbei­ten doch an meiner Arbeits­stät­te statt. Dabei stand die expe­ri­men­tel­le Ver­ar­bei­tung von GEOBRIS, einem bio­ba­sier­ten und spe­ku­la­ti­ven Mate­ri­al aus Mehl­wurm­kot und bio­ba­sier­tem Kunst­stoff, im Mit­tel­punkt. Die Teil­neh­men­den erforsch­ten dessen ästhe­ti­sche, tech­ni­sche und nar­ra­ti­ve Poten­zia­le und ent­wi­ckel­ten eigene Anwendungen.

Sicht­bar wird die Ver­dich­tung einer Woche gemein­schaft­li­cher Arbeit, in der Künstler:innen, Forscher:innen, Maschi­nen und Mate­ria­li­en mit­ein­an­der in Bezie­hung traten. Die Skulp­tu­ren ent­stan­den in der kurzen Zeit des auf­ge­schmol­ze­nen Zustands. Sie tragen des­halb Spuren der Hitze, des manu­el­len For­mens und Ver­letz­lich­keit, aber auch Frag­men­te eines Pro­zes­ses, der unvoll­endet bleibt.


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