Sehen, schmecken, fühlen, hören, riechen. Das sind unsere fünf Sinne, die wir im schnelllebigen Alltag viel zu selten bewusst einsetzen. An der belgischen Nordseeküste zwischen Oostende und Middelkerke lassen sich diese neu schärfen, aber auch entspannen. Einige Eindrücke einer „sinnlichen“ Woche am Meer.
Die Stadt und den Hafen in Oostende sehen
Als Kind aus dem Erzgebirge war neben den Alpen jahrelang die Ostsee das Sommer-Reiseziel. Nach traumhaften Urlauben in der warmen Mittelmeerregion wie auf den Inseln Mallorca oder Korfu, war ich gespannt was die westliche Nordseeküste zu bieten hat. Der Weg führte durch die Bundesrepublik und das belgische Nachbarland nach Oostende, einem kleinen Städtchen in Westflandern. Nicht nur mit dem Pkw ist das Seebad über die herrlich ausgebaute, belgische Autobahn zu erreichen. Viel sinnvoller ist die Anreise mit der Bahn. Damit spart man sich die von Chemnitz knapp 900 Kilometer lange Autofahrt und ist in weniger als 10 Stunden vor Ort.
Am Bahnhof angekommen, lohnt sich ein kurzer Abstecher an den Jachthafen. Erstes Meerfeeling kommt auf, wenn man vor dem ehemaligen Segelschulschiff Mercator steht, das heute als Museum dient. Direkt daneben befindet sich der Leopoldpark, der zum Durchatmen und Entspannen einlädt. Über die neogotische Sint-Petrus-en-Pauluskerk, die erst zwischen 1899 und 1905 errichtet wurde, geht es am Visserskaai entlang zum Zeeheldenplein. Ein 1953 geweihtes Denkmal erinnert an die zahlreichen Seeleute, die auf hoher See ums Leben gekommen sind. Entlang der Albertpromenade lässt sich herrlich flanieren bis der Kursaal auftaucht. Er wird rege für Veranstaltungen genutzt und ist deshalb die erste Anlaufstelle für Kulturfans. Die lebendige Innenstadt ist gespickt von schmalen Gassen und hübschen Läden, die es zu erkunden lohnt.
Die süßen und herzhaften Köstlichkeiten schmecken
Typisch für Belgien und Oostende sind die kleinen Marktplätze. Auf Groentemarkt, Mijnplein und Wapenplein ist jeweils Donnerstag und Samstag Markttag. Dann gibt es allerhand Köstlichkeiten auf die Hand. Für jeden ist etwas dabei: Zuckermäulchen greifen zu Panekoeken (belgische Pfannkuchen), Cremekoek (Puddingteilchen) oder Lütticher Waffeln. Mir persönlich haben auch der Honigkuchen und natürlich die belgische Schokolade geschmeckt. Fast schon Heimatgefühle kamen bei den mit Vanillepudding gefüllten Bol de Berliner auf.
Auch Fans herzhafter Speisen kommen in Belgien auf ihre Kosten. Besonders die Fischspezialitäten sind zu erwähnen. Ob als Imbiss-Mix oder Hauptspeise á la Kabeljau und Bouillabaise (Fischsuppe) gibt es zu jeder Tageszeit die Gelegenheit regional gefischte Fische zu verzehren. Die klassisch belgischen Fritten sind willkommene Beilagen. Eine meiner persönlichen Neuentdeckungen waren die Kaas- sowie Granaal-Kroketten (Käse und Krabben), die deutlich vollmundiger schmecken als die klassischen Exemplare hier in Deutschland. Auch die Tomaat Garnaal (Tomaten mit Krabben gefüllt) waren eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan.
Das frische Salzwasser bei Mariakerke riechen
‚Nach dem Essen sollst du ruh’n oder 1.000 Schritte tun.’ So lautet ein bekanntes Sprichwort. Beides lässt sich am Strand von Mariakerke erledigen, dabei die angenehm salzige Luft einatmen und riechen. Nicht umsonst hat das Klima eine therapeutische Wirkung für Asthmatiker. Auch das Immunsystem wird durch die feuchte Luft und die angeregte Durchblutung der Schleimhäute in den Atemwegen gestärkt. Das sanfte Rauschen der Wellen entschleunigt, hilft zu Entspannen und baut Stress ab. So sinnvoll kann Urlaub an der belgischen Nordseeküste sein.
Den feinen Sand in Middelkerke fühlen
Tagtäglich sind wir gefangen, genauer gesagt unsere Füße. In engen Schuhen mit schlechter Belüftung. Umso wichtiger ist es diesen wichtigen Werkzeugen des Alltags einmal Freiraum zu schenken und das Fühlen neu zu erleben. Etwa am feinen Strand von Middelkerke. Barfuß lassen sich der lauwarme Sand und die kalte Nordsee neu wahr nehmen. Ich liebe es im weichen Sand meine Spuren zu hinterlassen und auch mal die ein oder andere leere Muschel zu spüren.
Entlang der Promenade lassen sich zudem zahlreiche Comic-Skulpturen entdecken. Ganze 17 Statuen haben sich über die Jahre angesammelt, denn jedes Jahr kommt eine neue dazu. Die detailliert gearbeiteten Bronze-Figuren sind nicht nur schön anzusehen, sondern auch angenehm zu fühlen. Besonders wenn die warmen Sonnenstrahlen das Material aufheizen.
Die traumhafte Kusttram erleben
Nach einer anstrengenden Strandwanderung empfiehlt sich die Rückfahrt mit der Straßenbahn. Die belgische Kusttram verbindet die Städte De Panne im Westen und Knokke am Ostende der belgischen Nordseeküste. Ein Großteil der Strecke führt direkt am Ufer entlang, wodurch sich ein schöner Blick auf das Meer eröffnet. Eine Fahrt kostet 2,50 Euro – unabhängig wie weit. Deshalb eignet sich die Linie auch vorzüglich als Sightseeing-Ersatz und angenehmes Seh-Erlebnis – auch bei schlechtem Wetter. Zumindest in der Nebenzeit, wenn die Bahnen nicht allzu voll sind. Im Sommer zur Ferienzeit mag man sie lieber schnell wieder verlassen, denn dann drängen sich die Menschen in dem kurzen Wagen.
Den imposanten Sonnenuntergang an der Nordseeküste genießen
Zum Tagesabschluss ist das Bestaunen des Sonnenuntergangs über der Nordsee Pflicht. Bei gutem Wetter ergeben sich herrliche Farbenspiele am Firmament, die Lichtstimmung ändert sich minütlich. Wenn die Schatten länger werden, lassen sich zudem künstlerische Fotos von Menschen und der Umgebung aufnehmen. Das Schauspiel mündet in einem monumentalen Absenken der Sonne am Horizont. Eben ein Genuss für alle Sinne.