Ich liebe Radfahren und Sightseeing. Was liegt also näher als beides zu einer Radreise zu vereinen? Gemeinsam mit meiner Partnerin haben wir uns den malerischen Moselradweg für unsere erste mehrtägige Radtour ausgesucht. In sechs Tagen sollte es von der luxemburgischen Grenze bis nach Koblenz gehen. Erreichen wir das Deutsche Eck, die Moselmündung in den Rhein? Unsere Erlebnisse der ersten drei Etappen zwischen Mertert und Bernkastel-Kues.
Abenteuerliche Anreise mit den eigenen Fahrrädern per Zug
Jeder Urlaub beginnt mit der Anreise. Während wir dafür bisher oft Auto und Flugzeug zurück griffen, fiel die Entscheidung für das umweltfreundliche Moselabenteuer auf die Bahn. Mit wochenlangem Vorlauf buchten wir Tickets, denn die Radmitnahme ist vor allem in den Intercity-Zügen eingeschränkt. Als wir in Dresden in den IC steigen, sind wir voller Vorfreude. Material und Mensch finden schnell einen sicheren Platz. Vorbei an Wäldern und Feldern durchqueren wir nahezu lautlos das facettenreiche Flachland.
Als dann der erste Umstieg in einen ICE ansteht, kommt Hektik auf: Zwei Züge mit unterschiedlichen Zielen sind miteinander gekoppelt. Die Anzeige schickt uns ans andere Ende des Gespanns. Dort angekommen, begrüßt uns ein Zugbegleiter freundlich mit dem Hinweis, dass sich die Reihung geändert hätte und wir ans Ende des Zuges müssten. Mit uns wechseln Hunderte Reisende behände die Zugteile. Etwas gestresst erreichen wir unsere gebuchten Fahrradplätze. Von sechs Bügeln ist nur ein weiterer belegt. Auch das angrenzende Abteil ist erfreulich leer, sodass wir auf einer Vierer-Sitzgruppe Platz finden. Mit Verspätung verlassen wir den Bahnhof. Gut dass wir im Fahrtverlauf nicht auf weitere gebuchte Fahrradplätze angewiesen sind.
Die Stunden verfliegen und schnell erreichen wir das Rheintal. Mit jedem Kilometer verstehen wir mehr, warum es zu den schönsten Zugstrecken Deutschlands zählt. Die Augen schweifen über hohe Felsen, Backsteindörfer und große Flussschiffe. Ziel der Fahrt ist Koblenz. Dank der Aufzüge gelangen wir dort ohne große Kraftanstrengungen zum nächsten Gleis. Doch wir sind deutlich langsamer als die zu Fuß Gehenden. Pünktlich erreichen wir den Luxemburger Zug. Mit etwas Krafteinsatz können wir die Räder in den (nicht barrierefreien) Zug hieven. Für die Anstrengungen entschädigt die ansonsten stressfreie Fahrt durch das Moseltal. Campingplätze flankieren die Strecke. Dank einiger Tunnel durch die mächtigen Moselschleifen erreichen wir nach zwei Stunden Luxemburg.
Entspannter Start von Mertert nach Wasserliesch
Unsere Tour beginnt an der Kirche im luxemburgischen Mertert. Bereits nach wenigen Metern erreichen wir die Mosel. An dieser Stelle fungiert sie als Grenzfluss zwischen Luxemburg und Deutschland. Bis nach Wasserbillig führt der Radweg links der Mosel. Am Ende der Esplanade de la Moselle befindet sich mit der Bar „QUEENS“ nicht nur eine willkommene Erfrischungsstation, an der sich grandios verweilen lässt. Vom Ufer startet kurz nach 16 Uhr die Fähre hinüber zur deutschen Seite nach Oberbillig. Für 1,80 Euro können sich Radfahrende ein Ticket angeln.
Bereits nach wenigen Augenblicken erreichen wir mit der anderen Moselseite die Bundesrepublik Deutschland. Idyllisch führt der Radweg vorbei an Biergärten und kleinen Kneipen in Richtung des heutigen Tagesziels. Unter einer Straßenunterführung hindurch biegen wir rechts in einen asphaltierten Waldweg ab. Direkt weht uns eine angenehm kühle Luft um die Nase. Endlich Abkühlung. Nach wenigen hundert Metern, direkt am Albach, lugt die erste Unterkunft hervor, das Waldhotel Albachmühle. Herzlich empfängt uns Familie Fiedler. Nachdem die Fahrräder einen sicheren Platz in der Garage gefunden haben, beziehen wir unser rustikales Zimmer mit Blick in den grünen Wald. Nach einer kurzen Verschnaufpause müssen wir den auch wieder durchqueren, dann an diesem Dienstag hat das Restaurant Ruhetag.
Nach einer kurzen Onlinesuche fällt die Wahl auf die Gaststätte Keglerstuben an der Hauptstraße des Örtchens Wasserliesch. Schon der Weg entlang der Mosel und durch das verträumte Dorf ist ein Genuss. Als wir dann unseren italienischen Salat und die deftige Hausplatte erhalten, sind wir glücklicher denn je an diesem warmen Urlaubstag. Da wissen wir allerdings noch nicht was uns am Mittwoch ereilen wird. Diese erste Etappe endet mit romantischer Sonnenuntergangsstimmung an der Mosel in Wasserliesch.
Historische Hitzeschlacht zwischen Wasserliesch und Trier
Nach einer frischen und erholsamen Nacht im Waldhotel Albachmühle und einem ausgiebigen Frühstück beginnt kurz vor 10 Uhr der zweite Streckenabschnitt unserer Moselfahrt. Bei angenehmen Temperaturen genießen wir die Reise rechts der Mosel auf dem glatt asphaltierten Radweg. Dabei passieren wir Konz mit der Saarmündung und alsbald auch den Yachthafen von Trier. An der altehrwürdigen Römerbrücke leiten uns die Radwegweiser ab in Richtung des Stadtzentrums. Dort erreichen wir in der warmen Mittagssonne die historische Porta Nigra, das im Jahr 180 nach Christus erbaute, imposante Stadttor. Bevor die Stadt weiter erkundet wird, landen die Fahrräder in der komfortablen Fahrradgarage am Hauptbahnhof. Für 1 Euro pro 24 Stunden ist der Drahtesel dank Drehtür und Kamerasystem bestens vor Langfingern geschützt.
Von dort kann die Stadtbesichtigung beginnen. Das erste Ziel stellt mit dem Trierer Dom St. Peter die älteste Kirche Deutschlands dar. Ab dem 4. Jahrhundert gebaut, besticht das Gebäude durch seine vielfältige Architektur und den imposanten Altarraum. Der schattenspendende Kreuzgang lädt in den Mittagsstunden zum Innehalten ein. Am nach dem ehemaligen deutschen Kanzler benannten Adenauerblick eröffnet sich ein historisches Panorama – auch auf die Liebfrauenkirche. Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich der Hauptmarkt mit dem 1595 erbauten Petrusbrunnen, von dessen Spitze der namensgebenden Stadtpatron grüßt. Einen halben Liter Wasser später erreichen wir die opulente Konstantin-Basilika. Heute eine evangelische Kirche, wurde die Palastaula ab dem 4. Jahrhundert als Audienzhalle der römischen Kaiser genutzt. Früher prunkvoll ausgestaltet, kommt sie heute in ihrem Backstein-Baustil eher schlicht daher.
Nur wenige Meter weiter führt die Entdeckungstour zum Palastgarten am Fuße des Königlichen Palais. Unter den grünen Laubbäumen lässt sich neben zahlreichen antiken Steinskultpuren herrlich die Seele baumeln, bevor es entlang der historischen Stadtmauer zu den Ruinen der 1.600 Jahre alten Kaiserthermen geht. Deutlich jünger ist das weiße Haus mit den grünen Fensterläden in der heutigen Karl-Marx-Straße. Dort erblickte im Jahr 1818 der gleichnamige Philosoph das Licht der Welt. Heute lassen sich allerhand persönliche Gegenstände darin finden. Und wer an den zahlreichen Fußgängerampeln genau hinschaut, begegnet ihm auch noch heute. Stolz mit dem Manifest unter den Armen. Mittlerweile zeigt das Thermometer 38 Grad Celsius. Nicht der beste Zeitpunkt, um wieder auf das Fahrrad zu steigen. Doch wir müssen weiter zum nächsten Hotel in das 13 Kilometer entfernte Mehring.
Strapaziöse Weiterfahrt nach Mehring mit Hindernissen
Gesagt, getan. Gegen 15 Uhr begeben wir uns auf die weitere Strecke. Sie führt vorbei an großen Industriegebieten bis zu einer Bahnbrücke mit Radweg, die uns direkt auf die andere Flussseite bringt. Von dort fahren wir im warmen Sommerwind an der immer breiter werdenden Mosel entlang bis wir den Hafen erreichen. Die Industriegebäude strahlen hier besonders viel Wärme ab. Die Konzentration schwindet. Und so ist es kaum verwunderlich, dass wir uns ein paar Mal verfahren. Später als gedacht erreichen wir den nächsten größeren Mosel-Ort Schweich. Dafür bessert sich das Terrain: In unmittelbarer Nähe zum Fluss führt der Radweg bis zum Fährturm. Dort müssen wir außerplanmäßig die Flussseite abermals queren. Denn der Radweg ist hier nicht durchführend. Zum Leidwesen unserer Stimmung.
Etwas geknickt – mittlerweile beträgt der Umweg etliche Kilometer – passieren wir die Brücke. Über uns rauschen auf der Autobahn 1 die Last- und Personenkraftwagen hinweg. Idylle sieht anders aus. Immerhin kommen wir nun durch den verträumten Ort Longuich, dessen Anfänge bis ins 1. Jahrhundert nach Christus datiert sind. Schneller als gedacht erreichen wir nun die nächste Moselbrücke, die uns und unsere Drahtesel wieder auf die „richtige“ Flussseite bringt. Uns empfängt ein großes Verkehrsschild, welches das Ende des Radwegs ankündigt. Etwas verwirrt begeben wir uns auf den einzig möglichen Weg. Den in den Weinberg. Schnaufend erklimmen wir teils schiebend die Wirtschaftsstraße. Nach einer Viertel Stunde erreichen wir das Plateau. Das prachtvolle Panorama über dem weiten Tal hilft zumindest etwas über das Stimmungstief hinweg.
In Longen, dem mit 100 Einwohnenden kleinsten Ort der Römischen Weinstraße, sausen wir die mühsam gewonnen Höhenmeter wieder hinab. Und erreichen abermals die Bundesstraße 53. Erst jetzt erkennen wir, dass der richtige Radweg etwas zurückgesetzt auf der gegenüberliegenden Straßenseite verläuft. Etwas verärgert, aber auch frohen Mutes, werden die letzten Kilometer unter die Räder genommen. Kurz vor 18 Uhr – 10 Kilometer später als geplant – ist das Hotel „Zum Moseltal“ in Mehring erreicht (Komoot-Tour). Eine halbe Stunde vor Ladenschluss des lokalen „Nah und Gut“ ergattern wir eine der großen, gekühlten Cola-Flaschen. In Windeseile wird das Zimmer und der zugehörige Balkon mit Moselblick okkupiert: Voller Genugtuung fließen Schluck um Schluck in unsere geschundenen Körper. Nun freuen wir uns umso mehr auf das Abendessen auf der Terrasse des Hotelrestaurants: Saure Moselfische mit Bratkartoffeln und Salat stehen an diesem Tag auf der Tageskarte. Dazu gibt es ein gutes Glas Moselwein. Besser kann dieser Tag voller Strapazen nicht enden.
Schleife um Schleife von Mehring nach Piesport
Es ist Donnerstag. In der Nacht zogen über Mehring indessen mehrere kleine Regengebiete. Dementsprechend angenehm temperiert startet der dritte Tourtag. Nach einem reichhaltigen Frühstück sagen wir dem zuvorkommenden Hotelpersonal „Auf Wiedersehen“ und schwingen uns voller Energie auf unsere Fahrräder. Über die Ortsbrücke geht es hinüber auf die rechte Uferseite. Im Schatten der steilen Weinberge genießen wir bei Temperaturen von 20 Grad Celsius den kühlen Fahrtwind. Auch ein paar Enten mit ihren kleinen Küken nutzen die kühlen Stunden für ihr morgendliches Bad in der Mosel. Kilometer um Kilometer kommen wir an diesem Tag voran. Die erste Pause steht im kleinen Örtchen Leiwen an. Dort lädt ein neuwertiges Kneippbecken zum erfrischenden Wassertreten ein. Gern stapfen wir im Storchengang durch das kühle Nass und tanken neue Energie.
Kurz nach dem Ortsausgang lohnt sich ein Abstecher in den Weinberg, von dem sich ein malerisches Panorama über die Moselschleife betrachten lässt. Doch viel Zeit zum Genießen bleibt nicht, wollen wir doch zeitnah unser Tagesziel Bernkastel-Kues erreichen. Auf dem Weg dahin gelangen wir nun in den ältesten Weinort Deutschlands Neumagen-Dhron. Mit offenen Mündern rollen wir durch die pittoreske Altstadt mit seinen vielen kleinen Weinstuben und dem Weinschiff Stella Noviomagi, einem Nachbau des römischen Grabdenkmals eines Winzers oder Weinhändlers. Das Original ist im Rheinischen Landesmuseum Trier ausgestellt.
Mittlerweile steht die Sommersonne im Zenit. Zeit für einen Mittagsschlaf. Zumindest für die Rehe mit ihren Kitzen in einem großen Gehege am Wegesrand. Denn uns knurrt nach rund 24 Kilometer Radstrecke langsam aber sicher der Magen. Gut, dass wir alsbald den kleinen Ort Piesport erreichen. Von der Traube an abgestellten Fahrrädern angezogen, rasten wir am Weingut Später-Veit. Die etwas erhöhte Terrasse ermöglicht einen beruhigenden Blick auf die langsam fließende Mosel und den fotogenen Ortskern. Auf der Speisekarte wählen wir einen traditionellen Flammenkuchen und dazu eine „Mosel-Radler-Maß“. Hinter dieser Worteigenkreation verbirgt sich ein halber Liter Cola sowie ein halber Liter Weißweinschorle. Die perfekte Kombination für einen kräftezehrenden, aber gleichzeitig auch entspannten Urlaubstag.
Ein stimmungsvoller Abend in Bernkastel-Kues
Wir könnten noch viel länger die Seele baumeln lassen, doch nach einer Stunde Pause ist es an der Zeit die nächsten Moselschleifen in Angriff zu nehmen. Bei strahlend blauem Himmel und angenehmen Temperaturen von 25 Grad Celsius fahren sich die Radkilometer fast von allein. Wir passieren die Orte Wintrich, Brauneberg und Mülheim (Mosel) in Windeseile. Bei Lieser erregt ein großes altehrwürdiges Schloss unsere Aufmerksamkeit. Beim genaueren Hinschauen entpuppt es sich als nobles Hotel im Stile der italienischen Palladianervillen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Nichtsdestotrotz gibt die Silhouette des Dorfes ein überaus romantisches Bild ab, das wir minutenlang betrachten.
Inzwischen ist es 16 Uhr als wir nach 45 Kilometern Fahrzeit unser Tagesziel, das staatlich anerkannte Heilbad Bernkastel-Kues (Aussprache wie die Kuh) erreichen (Komoot-Tour). Unser erster Weg gilt unserer Ferienwohnung, in der wir zuerst die Waschmaschine unter Beschlag nehmen. (Das Kurzwahlprogramm eignet sich im übrigen vorzüglich zum Verschnaufen.) Nach all den Tagen mit herzhaften Speisen steuern wir zuerst das Café im Stadtpalais an. Es wird von Larissa Remy betrieben, die unlängst im TV-Format „Das Große Backen – Die Profis“ zu sehen war. Etwas verloren finden wir uns auf einer leeren Terrasse wieder. Durchaus unverständlich, denn die probierten Tiramisu- und Windbeutel-Tortenstücke treffen unseren Geschmack vorzüglich.
Mit neuer Energie flanieren wir durch die Altstadt mit ihren engen Gassen und den historischen Fachwerkhäusern. Dabei erreichen wir auch das wohl meist fotografierte Gebäude Deutschlands, das schmale Spitzhäuschen. Es fungiert als kleine Weinstube und befindet sich direkt neben dem eng bebauten Marktplatz mit dem charmanten Michaelsbrunnen. Herzallerliebst! Zum Sonnenuntergang lohnt sich der Fußweg hinauf, an der St. Josefs-Kapelle vorbei, zu einer kleinen Aussichtsplattform oberhalb des beschaulichen Städtchens. Atemberaubend liegt die Mosel zu Füßen, dazu die grünen Weinberge und die majestätische Burg Landshut. Das minütlich wechselnde Farbenspiel treibt Freudentränen in die Augen. So sieht ein gelungener Abschluss der ersten drei Etappen zwischen Mertert und Bernkastel-Kues aus.
Zum Bericht der zweiten Tourhälfte.
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